Vertical Farming – Das Zukunftskonzept der Landwirtschaft

Vertical Farming soll die Zukunft der Landwirtschaft revolutionieren. Inwieweit kann das Konzept zu Hause und in der Stadt umgesetzt werden

Vertical farming, urban gardening

Rund 55% der Weltbevölkerung leben in Städten. Diese Zahl soll bis 2050 auf rund 68% ansteigen. Um den Bedarf an Lebensmitteln zu decken, müssen Produkte in Massen produziert und über weite Strecken in die Ballungszentren transportiert werden. Vertical Farming und Urban Gardening sind zwei zukunftsweisende Konzepte, die eine Rückkehr zur naturbelassenen Landwirtschaft ermöglichen könnten.

Vertical Farming: Was ist das?

Vertical Farming ist eine zukunftsweisende Idee, die es ermöglicht, Lebensmittel direkt in Ballungszentren umweltschonend und in großen Mengen zu produzieren. Es ist eine Art Indoor Farming in vertikalen Gewächshäusern. Dafür wird in mehrstöckigen Gebäuden ("Farmscraper" genannt) auf übereinander liegenden Ebenen angebaut. Diese Gebäude sind meistens mit einer Kreislaufwirtschaft sowie Hydrokulturen ausgestattet. Dies ermöglicht eine ressourcenschonende und ganzjährige Produktion.

Vor- und Nachteile von Vertical Farming

Mit Vertical Farming ließe sich an jedem Ort der Welt Gemüse produzieren, platzsparend und unabhängig vom Klima. Dadurch soll nicht nur der wachsende Bedarf an Lebensmitteln gedeckt, sondern auch die traditionelle Landwirtschaft entlastet werden. Auch fallen lange Transportwege weg und dank der Kreislaufwirtschaft reduzieren sich CO2-Emissionen. Gegner hingegen sehen Vertical Farming eher als unnatürliche Landwirtschaft. Insbesondere das künstliche Licht und der damit verbundene Energiebedarf steht oft im Fokus der Kritik.

Vorteile

  • Kurze Transportwege sowie geringer Platzbedarf
  • Ganzjährige Produktion unabhängig von Klima
  • Entlastung der traditionellen Landwirtschaft
  • Automatisierte Prozesse sowie optimaler Ertrag
  • Geringer Wasserverbrauch durch geschlossenen Wasserkreislauf
  • Geringer Einsatz von Chemie und Pestiziden
  • Bio-Anbau ist somit ebenfalls möglich

Nachteile

  • Erhöhter Energiebedarf durch künstliche Beleuchtung
  • Zugabe von Mikrorganismen sowie Nährstoffen notwendig
  • Entsorgung von LED Lampen
  • Verlust von Arbeitsplätze durch Automatisierung
  • Hohes Risiko bei Energieausfällen
  • Natürliche Bestäubung ist schwierig und manuelle Durchführung kostspielig
  • Ernte wirkt unnatürlichen Ursprungs

Traditionelle Landwirtschaft vs. Vertical Farming

Der Unterschied zwischen einem modernem Farmscraper und traditioneller Landwirtschaft ist offensichtlich. Jedoch wird heutzutage der Großteil unserer Nahrung nicht mehr aus traditioneller Landwirtschaft gewonnen, sondern in großen Gewächshäusern angebaut. Ein gutes Beispiel dafür ist die Region Almeria in Spanien. Millionen Tonnen Gemüse werden hier in einem 350 qm großen Mamut Gewächshaus zum Export angebaut.

Die Gegend ist daher bekannt für ihr Meer aus Plastik. Auch Bio Gemüse wird hier angebaut. Beim Tomatenkauf im Supermarkt hat man solch eine Landwirtschaft jedoch nicht vor Augen. Zudem leiden viele konventionelle Ackerböden unter Nährstoffarmut und so wird die optimierte Ernte aus vertikalen Farmen oftmals als wohlschmeckender und haltbarer empfunden. Konventionelle Agrarwirtschaft fördert zudem die Rodung von Wäldern zur Gewinnung neuer Ackerflächen. Der Einsatz von Pestiziden sowie Düngern belasten zudem Umwelt und Mensch.

Gemäß der Columbia University verbraucht die vertikale Landwirtschaft im Vergleich zur traditionellen Landwirtschaft 70 bis 95 Prozent weniger Wasser und über 90 Prozent weniger Land, während pro Flächeneinheit 80 Prozent mehr geerntet werden. Aber nicht alle Pflanzenarten wurden bisher in vertikalen Farmen angebaut, es bedarf weiterhin Experimenten, um verschiedene Gemüsesorten und Früchte anbauen zu können.

So funktionieren Vertikale Farmen

Es steckt viel Technologie hinter Vertical Farming, gekennzeichnet von drei zentralen Kennzeichen:

  1. Anbau von Obst, Gemüse und Kräuter findet auf übereinander liegende Ebenen in einem mehrstöckigem Gewächshauskomplex statt, um die maximale Produktion pro qm zu erzielen
  2. Licht ist ein wichtiger Faktor, der in erster Linie mittels speziellen LED Lampen gewonnen wird, aber auch in Kombination mit natürlichem Licht
  3. Bei der Bepflanzung kommt keine Erde zum Einsatz, stattdessen sind die Lebensmittel mit Hilfe von Hydrokulturen (wassergefüllte Behälter) oder Aeroponik (geschlossener Behälter mit Aerosol) angebaut

Erfolgreiche Projekte weltweit - Vertical Farming Unternehmen und Start-ups

Europa

In der niederländischen Versuchsanlage "Botanygroup" wächst schon seit einiger Zeit frischer Salat und Gemüse mit Hilfe von LED-Licht. Brightbox ist ein Forschungsprojekt der Uni s’Hertogenbosch und mehrerer Unternehmen aus der Wirtschaft. Vor allem wird hier der Einfluss von Lichtkonzepten auf Geschmack sowie Qualität untersucht. Brightbox befindet sich im niederländischen Venlo, eine Vorreiter Modellregion für die Umsetzung des Cradle to Cradle Ansatzes.

Ein weiteres europäisches Beispiel ist die "AgriCool" in Frankreich, welche mit seinem Community Programm "Coolivator" sogar Kunden zu potentiellen vertikalen Landwirten wandeln möchte.

Asien

Die "Sky Greens" in Singapur sind mit 9 Meter hohen Gestellen ausgestattet, auf denen Chinakohl, Kopfsalat sowie Spinat dank Sonnenkraft gedeihen kann. Die umliegende Gemeinschaft wird mit der Ernte versorgt.

Vertical Farming Pflanzen im Anbau bei Sygreens

Sky Greens Singapur, Vertical Farming Farmscraper

USA

Ein schönes Beispiel bietet die Kleinstadt Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming. Sie liegt auf 1.900 Metern Höhe, weshalb traditionelle Landwirtschaft dort schwierig ist. Abhilfe hat das Vertical Farming Projekt "Vertical Harvest" gebracht. Auf knapp 1.700 qm, aufgeteilt auf drei Stockwerken, wachsen Gemüse und Kräuter mit Sonnenlicht.

Weitere erfolgreiche Unternehmen in den USA mit starkem Investment Backing sind Bowery Farms, Aerofarms und Bright Farms. Besonders hervorzuheben ist dabei Bowery Farms, ein Google Venture Partner, setzt auf einen Anbau frei von Pestiziden und Gentechnik.

Island

Doch nicht nur für die Nahrung sind vertikale Gewächshäuser nutzbar. Auch für die Entwicklung von Inhaltsstoffen für Naturkosmetik wäre dies ein interessantes und effizientes Modell. Bio Effect usr bereits Vorreiter in dieser Hinsicht. Die für das Kosmetikprodukt verwendete Gerste wird in einem 2200 Quadratmeter großen Gewächshaus in Island angebaut. Betrieben mit geothermischer Energie wachsen die jungen Pflanzen in bakterienfreier Vulkanasche, bewässert mit isländischem Quellwasser.

Vertical Farming für zu Hause

Für Hightech Liebhaber gibt es sogar Indoor-Gewächshäuser für die eigenen vier Wände. So groß wie ein Kühlschrank, gedeihen in ihnen Kräuter und Gemüse ganz ohne Sonnenlicht und Erde. Betreiber dafür sind zum Beispiel das Start Up Unternehmen neoFarms. Basis der Technologie sind LED-Licht und Hydrokulturen. Das heisst die Pflanzen wachsen ohne Erde in mit Wasser und Nährstoffen gefüllten Behältern.

Ein weiteres erfolgreiches Start Up namens Infarm züchtet Kräuter und Salate direkt vor Ort in Restaurants sowie Supermärkten. Die Kühlschränke mit dem rosa Licht sind weltweit bereits vielerorts in Großstädten vertreten. Wo genau die transparenten Hochregale zu finden sind kann man hier nachschauen.

Infarm vertical farming Kräuerregal im Supermarkt

Source & Copyrght by Infarm - Kräuterregal im Supermarkt

Vertical Farming vs. Urban Gardening

Klein, lokal, individuell: Der urbane Gartenbau ist ebenfalls ein Konzept, das als Reaktion auf den Klimawandel sowie dem städtischen Bevölkerungswachstum entstanden ist. Im Zentrum dieser Idee stehen nachhaltige Produktion und bewusster Konsum. Dabei werden auf meist kleinen, öffentlichen Flächen in unmittelbarer Siedlungsnähe Nahrungsmittel gemeinschaftlich angebaut und geerntet. So fallen ebenfalls Transportwege weg und das Recycling kompostierbare Abfälle findet lokal statt. Grundsätzlich lässt sich mit etwas Fürsorge überall Urban Gardening betreiben.

Wie gelingt Vertical Farming auch zu Hause?

Ein bisschen Vorarbeit ist nötig, ansonsten ist Vertical Farming kinderleicht. Wenn Sie sich bereits ein wenig mit Urban Gardening auskennen, ist Vertical Farming nur der nächste Schritt um platzsparender und effizienter zu arbeiten.

Der richtige Platz

Da beim Vertical Farming auf mehreren Ebenen angepflanzt wird, ist es wichtig, dass Sie Ihre Pflanzen so aufstellen, dass alle ausreichend Licht abbekommen. Wenn Sie keinen Platz direkt vor dem Fenster haben, sollten Sie vor allem bei geschlossenen Schränken auf durchsichtige Wände achten. Sollten Sie statt natürlicher Beleuchtung auf Künstliche umsteigen, empfiehlt sich die Anschaffung einer Indoor Vollspektrum Pflanzenlampe. Beachten Sie hierbei, dass die Verwendung von künstlichen Lichtquellen einen deutlich höheren Stromverbrauch verursacht.

Schrank, Regal oder lieber eine Vitrine?

Wie Sie ihren vertikalen Garten anlegen möchten, ist stark davon abhängig, wo Sie Platz dafür finden und was Sie eventuell bereits haben. Auf dem Balkon oder im Garten ist oftmals ein einfaches Regal ausreichend. Für die kälteren Monate oder Pflanzen, die viel Wärme brauchen, empfehlen wir eine Vitrine oder ein kleines Gewächshäuschen. Die sind auch im kleinen Stil für den Balkon verfügbar und schützen ihre kostbaren Pflanzen vor Wind und Wetter. In Ihrer Wohnung sind Pflanzen mit jeder Aufbewahrungsmethode glücklich, solange sie ausreichend Licht abbekommen. Wenn Sie sich schon an etwas speziellere Pflanzen trauen möchten, die bestimmte Luftfeuchtigkeit oder Temperaturen benötigen, empfehlen wir eine verschließbare Vitrine. Somit sind die Pflanzen weiterhin schön zu betrachten und können im idealen Klima wachsen.

Bewässerung und Pflege

Die Bewässerung kann zum Teil etwas komplizierter sein. Hier ist die Frage, ob Sie ihre Pflanzen aktiv pflegen oder auf eine passive Methode setzen wollen.

Passive Bewässerung

Bei der passiven Bewässerung wird unterhalb der Pflanzen ein Wasser- und Nährstofftank installiert. Die Pflanzen sind durch einen Docht mit der Flüssigkeit verbunden. Die Bewässerung funktioniert über die Kapillarwirkung des Dochtes und führt so das nährstoffreiche Wasser zu den Pflanzen in den Topf. Diese Methode eignet sich nur für kleine Pflanzen und Kräuter, da nur wenig Wasser und Sauerstoff aufgenommen wird.

Bei der aktiven Bewässerung ist schon etwas Handwerksgeschick gefragt. Denn hier sind die Pflanzen mit Hilfe von Pumpen mit Wasser und Sauerstoff versorgt.

Nutrient Film Technique (NFT)

Die Nährstoff Film Technik zeichnet sich dadurch aus, dass die Pflanzen leicht schräg angepflanzt sind. Denn mithilfe einer Wasserpumpe wird die Nährstofflösung permanent über die Plattform, auf der die Pflanzen stehen, geleitet. Die Wurzeln werden somit dauerhaft bespült und es entsteht kein Nährstoffstau, da die Flüssigkeit abfließen kann. Dies ist eine relativ einfache Methode um Salate und Kräuter aktiv im Vertical Gardening zu bewässern.

Deep Water Culture

Bei der Tiefwasserkultur handelt es sich um eine Bewässerungsmethode in der die Pflanzen dauerhaft in der Nährstofflösung schwimmen. Hier ist es besonders wichtig, dass den Wurzeln mit einer Pumpe Sauerstoff zugetragen wird. Ansonsten droht, dass die Pflanzen nicht gleichmäßig wachsen oder sogar aussterben. Die Methode ist eine der effizientesten in Sachen Ertrag, hat aber den Nachteil, dass die Sauerstoffpumpe permanent laufen muss. Sie eignet sich vor allem für Pflanzen mit großen Wurzelballen, die viel Wasser und Sauerstoff benötigen.

Ebb & Flow System

Der Name des Ebbe & Flut Systems erklärt die nächste Methode der aktiven Bewässerung. Mit einer Zeitschaltuhr wird die Wasserpumpe ein- und ausgeschalten, welche die Pflanzen mit der Nährstofflösung versorgt. Hierbei ist darauf zu achten, Abflussmöglichkeiten zu schaffen, damit die Pflanzen nicht ertrinken. Dank Zeitschaftuhr ist der Stromverbrauch vergleichsweise gering und die Nährstoffaufnahme lässt sich ideal überwachen. Diese Methode eignet sich auch für Anfänger, da sie leicht und kostengünstig nachzubauen ist.

Drip Hydroponics

Zu guter Letzt gibt es noch die Methode der Tröpfchenbewässerung. Auch diese eignet sich ideal für Selbstversorger und ist sehr effizient. Je nachdem für welche Anlage man sich hier entscheidet, werden die Pflanze dauerhaft mit der richtigen Menge an Nährstoffen versorgt. Das System lässt sich nach den Bedürfnissen der eigenen Pflanzen einstellen und ist somit vielseitig einsetzbar.

Vorbereitung

Erkundigen Sie sich genau, welche Methode am geeignetsten für Ihre Pflanzen sind. Benötigen diese viel oder wenig Wasser? Reicht eine sporadische Pflege oder benötigen sie dauerhafte Nährstoffzugabe? Danach ist es gar nicht mehr so schwer. Für die DIY-Varianten benötigen Sie je nach Methode eine Wasser- oder Luftpumpe, einen großen Behälter für die Nährstofflösung und Pflanzkörbe. Wenn die natürlichen Lichtquellen nicht ausreichend sind, benötigen Sie außerdem eine Pflanzenlampe.

Es zeigt sich: Nicht nur Menschen auf dem Land haben die Möglichkeit, sich mit Obst, Kräutern und Gemüse selbst zu versorgen. Auch Menschen in Städten mit wenig Platz können dank Vertical Farming zu Selbstversorgern werden. Das spart nicht nur Geld, sondern beschert garantiert schadstofffreie Lebensmittel und macht noch dazu Freude!

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