Industrial Designer – Stefan Diez denkt Design neu und bricht mit alten Gewohnheiten

“Die Produkte der neuen Zeit brauchen Begeisterungspotential, und eine bedeutsame Beziehung zu ihren Benutzern - Produkte die geliebt und erhalten bleiben, statt drastische Reduktion”

Im Interview mit Stefan Diez, CEO Diez Office und Professor für Industrial Design

Stefan Diez Circular Design
Stefan Diez, Copyright by Sven Juergensmeier

Autor: Haus von Eden

Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein emotional geladenes Thema. Dies lässt auch die Welt der Designer*innen nicht kalt. Wir haben mit Stefan Diez, preisgekrönter Designer und Gründer von Diez Office, über die Potentiale und Herausforderungen nachhaltigen Designs gesprochen. Seine Werke entstehen in Kollaboration mit international renommierten Herstellern wie Hay, Magis, Herman Miller, Rosenthal, Thonet, e15, Wilkhahn und Wagner und sind stets geprägt von Experimentierfreudigkeit, Handwerkskunst und Zirkularität. Als Professor für Industrial Design unterrichtet er außerdem an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Für Stefan Diez hat sich das Interesse an nachhaltigem Design bereits früh entwickelt. „Ich habe früh gemerkt, dass ich alles, was ich tue, erklären und dafür einstehen können muss. Dabei ist mir wichtig, die Dinge so zu gestalten, dass sie nicht nur kurzfristig kommerziell, sondern auch langfristig gesellschaftlich vertretbar sind.“ So hat er seine Designs schon länger auf ein zirkuläres Konzept auslegt und dies über die Jahre weiter ausgeführt und entwickelt. Doch um einen holistischen Wandel in der Wirtschaft sowie Industrie zu erreichen, sind noch einige Hürden zu meistern.

MAGIS_COSTUME

COSTUME Collection Stefan Diez for Magis, Copyright by Robert Brembeck

Standardisiert und effizient vs. neu und nachhaltig

Für Stefan Diez ist es ganz klar: „Design ist dann nachhaltig, wenn es lange hält, flexibel in der Benutzung ist und wenn man es am Ende wieder zurückgeben und zu einem neuen Produkt machen kann.“ Doch leider ist das oftmals einfacher gesagt als getan. Vor allem ist der Wandel von optimierten und effizienten Produktionsabläufen nicht nur aufwendig, sondern auch mit hohen Kosten verbunden. „Das wird dann teuer, sobald es nicht mehr standardisiert abläuft und neue Prozesse geschaffen werden müssen“, erklärt Stefan Diez.

Die Industrie brauche eine gewisse Planungssicherheit. Für einen Wandel seien Visionen und Investitionen nötig, um die Abläufe neu zu gestalten. Außerdem bedarf es der kundenseitigen Nachfrage, z.B. Kunden die gewillt sind, mehr für ein nachhaltiges Produkt zu zahlen. Stefan Diez ist überzeugt, „solange die alten Modelle und Produkte am Markt erlaubt sind, wird sich da nichts tun. Es muss sukzessiv, das vom Markt genommen werden, was unserer Umwelt und zukünftigen Generationen schadet.”

Produkte der neuen Zeit brauchen Begeisterungspotential

„Nachhaltigkeit kann man nicht über Appelle an Moral und Genügsamkeit erreichen, da diese Aufforderungen wohl als unmöglich und unzumutbar begriffen werden. Ausserdem bleibt der Spass am Leben so wohl bald auf der Strecke”. Stattdessen fordert Stefan Diez eine neue Mischung aus intelligenter Produktgestaltung und Produktumfeld unter Zuhilfenahme moderner technischer Möglichkeiten. So könne die Akzeptanz für die neuen Produkte gesteigert und gleichzeitig für die junge Generation von Designer*innen eine Zukunftsperspektive geboten werden:

Stefan Diez
HOUDINI Stuhl für E15 Copyright by Ingmar Kurth

„Die Produkte der neuen Zeit brauchen Begeisterungspotential. Sie müssen die Leute faszinieren und eine bedeutsame, sinnvolle Beziehung zu ihnen aufbauen. Produkte die geliebt und erhalten bleiben, statt eine drastische Reduktion zu verlangen. „Für die heutige Avantgarde, sehen wir daher von besonders asketischen Zutaten ab. Wir entwerfen Produkte von denen der Kunde einen Mehrwert hat und dabei auf nichts verzichten muss“, so Stefan Diez.

„Bislang haben wir uns als Designer*innen nur Gedanken darüber gemacht, wie man ein neues Produkt in den Markt drückt. Aber es hat sich kaum einer Gedanken darüber gemacht, wie man es auch sauber wieder heraus bekommt“ kritisiert Stefan Diez die Denkweisen innerhalb der Industrie. Das Thema Zirkularität ist auch für ihn ein großes Thema. Nicht zuletzt veröffentlichte er seine 10 Prinzipien für zirkuläres Design. „Im Augenblick sind wir in der Phase, wo wir als Designer*innen gute Beispiele geben und Visionen aufzeigen müssen. Ich hoffe, dass sich dadurch eine Bewegung von innen heraus mit Schwung auflädt und dann andere begeistert und mitreißt.“

Systematisches Umdenken durch Steuerung der Politik

„Als Konsument*in sind wir mit unseren eigenen Ein- und Ausgaben nur eine kleine Wirtschaftseinheit. Solange es legal möglich ist, umweltschädliche Produkte für sehr wenig Geld zu kaufen, die den Bedarf befriedigen, ist ein Wandel nicht möglich.” Dabei sei dieses Verhalten auch nicht verwerflich, denn jeder habe das Recht, sich seine eigene Prioritäten zu setzen. Stefan Diez sieht vor allem die Politik dafür verantwortlich, gezielte Anreize zu schaffen, die den Umstieg auf neue Produkte fördern.

„Das muss vor allem unabhängig von Legislaturperioden passieren, sonst werden langfristige Entwicklungen immer der nächsten Regierung zugeschoben.” Dafür sei eine soziale Umverteilung und ein systematisches Umdenken nötig. Zudem dürfe man den politischen Einfluss auch in Sachen Verbraucheraufklärung nicht unterschätzen.

Stefan Diez sieht nur so eine holistische Veränderung als möglich: „Mit einem gewissen Vorlauf, müssen neue Regulierungen in Kraft treten. Zum Beispiel, dass ab einem gewissen Tag, die Erzeugung oder das Verbrennen bestimmter Abfälle nicht mehr erlaubt ist. Wenn solche Sachen im Gesetz stehen, dann entstehen ganz neue Betriebe und Dienstleister, die sich auf diese Veränderung einstellen und das Recycling übernehmen.“ Hierfür müsse die Politik jedoch aktiv die Bedingungen der Marktwirtschaft steuern.

Stefan Diez

MOD for SAMMODE, Modular Spotlighting System

Vor allem in der Verwertungs- und Verpackungsindustrie tue sich aktuell sehr viel. „Mit neuen Technologien kann man Materialien immer präziser voneinander trennen.  Agricultural waste sei zum Beispiel ein großer Hoffnungsträger, d.h. aus hochwertigen pflanzlichen Abfallstoffen neue Materialien zu entwickeln. Solche Veränderungen seien in Zukunft sehr viel mehr möglich. Deswegen müsse man jetzt anfangen, schädliche Bestandteile alter Methoden vernünftig zu besteuern, damit sie nicht in Konkurrenz mit den Innovationen stehen, die in der Regel teurer als konventionelle sind, weil neue Prozesse neue Investitionen mit sich bringen und auch Unsicherheiten.

Designer*innen im Staffellauf mit der Next Generation

“Natürlich möchte ich eine breite Zielgruppe ansprechen, aber es freut es mich umso mehr, wenn ich es schaffe die junge Generation zu begeistern. Wofür ich mich gerne stark machen würde, ist es, die Wertschöpfung neu zu denken. Die Wertschöpfung vom Materialkonsum zu entkoppeln und zum Beispiel durch alternative und intelligente Service-Modelle die Lieferkettenlogiken der alten Industrie auf den Kopf zu stellen.”

Als Professor für Industrial Design erfährt Stefan Diez diese Herausforderung regelmäßig an vorderster Front. Er lernte noch auf Basis alter Denkweisen, während die Next Generation der Designer*innen hingegen deutlich kritischer ist. „Damals haben wir unsere Lehrer*innen als Helden aus einer idealen, schwer erreichbaren Welt gefeiert. Heute wird viel mehr in Frage gestellt.“

Gerade das sei jedoch auch so wichtig. Denn neue Ansprüche und Anforderungen nur von außen zu stellen, helfe nicht. Stefan Diez findet dazu klare Worte: „Wir brauchen uns nicht wundern, wenn wir die Wertschöpfung einer Gesellschaft immer an materielle Güter knüpfen und es uns dann schwerfällt davon wegzukommen. Es ist sehr leicht, kritische Fragen als Bedrohung anzusehen. Aber wollen wir nicht lieber zuhören und daraus eine interessante Zukunft gestalten?“

Stefan Diez

AYNO for MIDGARD, Copyright by Studio Stefan Diez

Inklusion aller Beteiligten für einen nachhaltigen Wandel

Zum Thema Nachhaltigkeit fällt auch regelmäßig das Stichwort Transparenz. Stefan Diez ist dazu geteilter Meinung: “Natürlich ist das wichtig und eine Voraussetzung, um die Nachhaltigkeit eines Produktes verstehen zu können. Es fällt der EU im Bezug auf die internationalen Verträge offenbar schwer, gewichtiges in Richtung gemeinschaftlicher Moral und Werte zu formulieren und in letzter Konsequenz dann auch danach zu handeln.”

Zu Transparenz gehört auch Offenlegung und Reporting, hier könne nach Ansicht von Stefan Diez das Peer-Review-Verfahren Abhilfe schaffen: „In Kollaboration mit Konkurrenten wird das Produkt aus deren Perspektive bewertet. Das ist Evaluierung und Coaching zugleich.“ Dies sei allerdings recht aufwendig. Hingegen seien standardisierte Evaluierungen (z.B. Labels, Siegel) vor allem für kleine Organisationen eine große bürokratische Last.

„Ich würde stattdessen für eine Art Codex mit einer Blacklist plädieren. Zu diesem Codex könnten sich die Unternehmen dann verpflichten, um das Label zu erhalten. Auch könnte man ähnlich der Iso 9001 Zertifizierung oder der Bio Zertifizierung von landwirtschaftlichen Betrieben eine Zertifikat für seinen Betrieb erhalten, dessen Produkte zu einem sehr hohen Anteil jetzt schon recycelt werden können.“

Ein Designer mit Zukunftsvision

Aktuell arbeitet Stefan Diez an einigen zukunftsträchtigen Projekten, zum Bespiel an dem Design für eine temporäre Architektur und Ausstellungen. „Wir bauen gerade Möbelsysteme aus Pappe und arbeiten an vollständig recycelbaren Büromöbeln sowie einem Kunststoffstuhl, der aus altem Plastik gewonnen wird. Bislang war das Recycling hierfür noch nicht möglich.“ Auch das Thema Evaluierung sei durchgehend ein wichtiges Thema. Wir sind gespannt, was wir in Zukunft von Stefan Diez erwarten dürfen.

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