Inspiriert von der Natur – Regeneratives Design jenseits von Nachhaltigkeit

Michael Pawlyn Vorreiter der regenerativen Architektur über Innovation durch Imitation der Biologie

Michael pawlyn
Das Atrium im Biomimetic Office mit dem Spookfish-Lichtreflektor/Büros mit niedrigsten Energieverbrauch
© Michael Pawlyn

Michael Pawlyn ist ein Britischer Architekt, der bekannt für seine innovativen und von der Natur inspirierte Objekte ist. Sei es eine Fischgräte, Muschel oder Baumzweige, durch seine Rückbesinnung zu Gestaltungsmöglichkeiten aus der Biologie, perfektioniert er Optik und Funktionalität in seinen Projekte. Nachhaltigkeit mitigiert seiner Ansicht nach lediglich negative Einflüsse, für die Zukunft setzt er daher auf das sogenannte regenerative Design. Damit ist er ein Visionär seiner Branche.

Bei uns spricht Michael Pawlyn über regeneratives Design und Architekturbionik

Michael Pawlyn

Architekt Michael Pawlyn © Kelly Hill

Bedeutung und Hauptelemente des regenerativen Designs

Im Grunde bedeutet regeneratives Design das Streben nach positiver Wirkung. Das umfasst im Allgemeinen ein weiteres und tieferes Verständnis von Raum. Obwohl Architekten und Stadtgestalter oft ein gutes Verständnis von Räumen demonstrieren, ist es selten, dass Projekte ebenso intelligent auf ökologische, hydrologische, geologische und klimatische Aspekte reagieren. Dagegen beeinflusst regeneratives Design die Gestaltung auf jeder Ebene: von großräumigen Landschaften über Stadtplanung zu Gebäuden und Materialien.

Das US-Amerikanische Beratungsunternehmen Biomimicry 3.8 argumentiert, dass die Gestaltung eines neuen Stadtteils mit einer Analyse anfangen sollte. Diese soll erörtern, wie ein unberührtes Ökosystem an diesem Ort funktionieren würde. Wie viel Kohlenstoff bindet es, wie viele Wildtiere beherbergt es, wie viel Sauerstoff produziert es und wie viel Wasser speichert, filtert und verdunstet es? Diese ökologischen Leistungskriterien setzten den Standard, was gebaut werden kann, sodass eine Stadt eine stabile Einheit innerhalb eines größeren Systems darstellt.

Nachhaltiges Design ist lediglich 100% weniger schlecht

Der Hauptunterschied ist, dass Nachhaltigkeit allzu oft lediglich das Mildern des Negativen umfasst. Dies impliziert, wie es von Bill McDonough charakterisiert ist, dass vollständig nachhaltig bloß „100% weniger schlecht“ bedeutet. Für die von uns, die sich seit mehr als 30 Jahren mit nachhaltigem Design beschäftigen, ist es schmerzhaft zu akzeptieren, dass die Nachhaltigkeit es nicht geschafft hat Umweltkrisen vor einer Verschlechterung zu bewahren. Wir müssen unsere Ziele viel höher setzen, wenn wir tatsächlich den Herausforderungen unserer Zeit begegnen wollen.

regeneratives design

Biomimetic Büros mit 30% weniger Beton, 50% weniger Glas, 75% weniger Aluminium und weitaus weniger Energie als herkömmliche Büros. Das Wohlbefinden der Menschen wird durch so eine Architektur gesteigert. 

Bionik überträgt Phänomene der Natur auf Architektur und Technik

Der Hauptvorteil ist, dass sich die Lebewesen der Erde im Rahmen von 3.8 Milliarden Jahren an Forschung und Entwicklung entfaltet haben. Deshalb sind viele der sich uns stellenden Designherausforderungen in der Biologie, mit weit größerer Effizienz, bereits gelöst. Wenn wir mehr darüber lernen, wie sich Materialien biologisch zusammenstellen, so können wir Glas mit einem Bruchteil der aktuell benötigten Energie herstellen und konkrete Wege finden, Kohlenstoff der Atmosphäre zu entziehen.

Wir können auch viel davon lernen, wie Ökosysteme funktionieren. Ökosysteme sind komplex, divers, reich vernetzt, Zero Waste, laufen vollständig über Solarenergie und sind, was hier von entscheidender Wichtigkeit ist, regenerativ statt extraktiv. Wir könnten die gleichen Prinzipien auf unsere Städte anwenden, um sie von einem linearen Ressourcenverbrauch zu einem geschlossenen Kreislauf zu wandeln.

Bionische Architektur  - Biologie als Inspiration für Design und Funktion

1. Der Gespensterfisch als Inspiration für Lichtsysteme

Im ersten Workshop des bionischen Büros kamen wir zu dem Schluss, dass Tageslicht die wichtigste Determinante strategischer Formen bei Gebäuden ist. Licht ist eine Voraussetzung für das meiste Leben auf unserem Planeten. So ist es keine Überraschung, dass es zahlreiche Beispiele von Organismen gibt, die Licht auf faszinierende Weisen erfassen. Zum Beispiel der Gespensterfisch:

Er hat umwerfende Spiegelstrukturen in seinen Augen, die nach unten zeigen und tiefliegende Bio-Lumineszenz als Bild auf seine Retina projizieren. Dies hat zu der Idee geführt, einige große reflektierende Oberflächen in Atrien zu integrieren, sodass Licht in die unteren Stockwerke der Gebäude geleitet wird. Unter den Spiegeln haben wir einen Versammlungsraum mit einschneidender Qualität an Licht und Fläche gebaut.

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The spectacular spookfish with the transparent head and diverticular eyes. This bizarre fish has eyes that point up and down at the same time. The light from above is fairly bright because it comes from the sky but the light coming up from the sea below is much fainter because it comes from bioluminescence. The parts of each eye that point down have concave mirror structures which concentrate / focus the light onto its retina. This led us directly to thinking of ways to reflect more light into the ground and first floors of our #biomimeticoffice – it shows that not all #biomimicry ideas have to involve high technology #Futureknowledge exhibition @mao_gallery #daylightdesign #spookfish #lightgathering #explorationarchitecture #bioluminescence

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2. Zweigsysteme als Inspiration für Energiesparsysteme

Für das Mountain Data Centre mussten wir einen effizienten Weg finden, Luft durch Datenbausteine zu transportieren, um diese zu kühlen. Wir studierten Zweigsysteme der Biologie und fanden heraus, dass diese meistens dem mathematischen Prinzip „Murray’s Law“ folgen. Auf diese Weise sind die Diameter und verzweigten Winkel reguliert, weshalb das Prinzip eine Lösung mit minimalem Energieaufwand ist. Wir haben es auf die Luftkanäle des Mountain Data Centre und darauffolgend auf das Design von Kläranlagen angewendet. So konnten wir dramatische Energieeinsparungen erzielen.

3. Abalone als Inspiration für Gewölbebau

Kürzlich haben wir ein Haus basierend auf Abalonen (auch bekannt als Seeohren) entworfen. Abalone sind Meeresweichtiere, mit einer Schale bestehend aus hunderten von Schichten Calciumcarbonat, die durch ein flexibles Protein zusammengehalten werden. Wir haben eine Bauweise mit gekachelten Gewölben gewählt, die den Abalonen sehr ähnlich sind. Daraus resultierend ergibt sich nicht nur eine außergewöhnliche Form, sondern auch ein effizienter Ressourcenverbrauch.

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Abalone Copyright by Michael Pawlyn

Die größte Herausforderung für regeneratives Design ist kurzfristiger Profit

Die größte Herausforderung ist der Reiz am kurzfristigen Profit, der so vieles in der heutigen Gesellschaft leitet. In vielen Fällen können wir Lösungen entwicklen, die viel ressourceneffizienter wären, dabei besser für die Menschen und den Planeten sowie langfristig kostengünstiger. Da diese allerdings zu Beginn etwas kostenintensiver sind, wird uns gesagt, dass der Markt nicht bereit für diese Art von Lösungen wäre.

Das ist frustrierend, da die Wissenschaft doch zeigt, dass wenn wir so weiter machen wie bisher, wir uns in eine Katastrophe bewegen werden. Wir brauchen dringend mehr Menschen in Führungspositionen in Unternehmen und der Politik, die sich auf die Langzeitperspektive anstatt den Bericht des nächsten Quartals oder die nächste Meinungsumfrage fokussieren.

Für unsere Vorfahren wäre unsere derzeitige Vorgehensweise einfach verrückt!

Die Kreislaufwirtschaft ist ein essentieller Teil des regenerativen Designs. Wir können wirklich nur dann langfristig und rein positive Lösungen liefern, wenn wir den Verbrauch natürlicher Materialien minimieren. Wir müssen auf eine Art und Weise designen, welches die Ressourcen in einen regenerativen Zyklus versetzt, anstatt dem Boden Materialien zu entnehmen, um diese in kurzlebige Produkte zu verwandeln.

Regeneratives Design würde unsere Zivilisation dramatisch verändern

Obwohl wir gerade noch weit entfernt von regenerativem Design sind, wird es für unsere Zivilisation einen dramatischen Wandel darstellen, wenn diese Art von Design alltäglich wird. Momentan gibt es dafür allerdings viele politische und wirtschaftliche Hindernisse. Daher muss es einen Systemwechsel geben, bevor das regenerative Design vollständig aufblühen kann. Es gibt allerdings viele Hinweise darauf, dass wir kurz vor einem möglichen Wendepunkt stehen.

Der wachsende öffentliche Protest, den die Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion mobilisiert und die Schulstreiks, die Greta Thunberg anführt, haben schon jetzt zu einem Wandel des Overton-Fenster (Themen, die im öffentlichen und politischen Diskurs akzeptiert werden) geführt. Es gibt immer mehr Klienten, die verstehen, das konventionelle Nachhaltigkeit nicht genug ist. Wir müssen danach streben rein positive Lösungen zu finden.

Herzlichen Dank, Herr Pawlyn.

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