Lutz Dietzold, CEO German Design Council, über Nachhaltiges Design

"Nachhaltiges Design sichert langfristigen Unternehmenserfolg und ist für jedermann zugänglich"

Im Interview mit Lutz Dietzold, CEO Rat für Formgebung

german design award
Onepiece Wallcover von Wallstoxx. Copyright by Wallstoxx

Autor: Haus von Eden

Lutz Dietzold ist seit 2002 Geschäftsführer des Rat für Formgebung. Initiiert vom Deutschen Bundestag, gehört der Rat für Formgebung zu den international führenden Kompetenzzentren in Sachen Design und prägt die Designkultur Deutschlands entscheidend mit. Ein einzigartiges Forum für Wissenstransfer von Marken- und Designkompetenz.

Als Geschäftsführer des Rates, engagiert sich Lutz Dietzold verstärkt für die internationale Ausrichtung des Kompetenzzentrums und des weltweiten Netzwerks von führenden Unternehmen aus Industrie und Wirtschaft. Er ist zudem Mitglied in zahlreichen Gremien und Jurys sowie Projektbeirat des Bundespreis Ecodesign des Bundesumweltministeriums.

Im Interview mit Haus von Eden spricht Lutz Dietzold über die aktuellen Gestaltungstrends, die Auswirkungen der Corona-Krise und ganz exklusiv über die Bedeutung der Nachhaltigkeit in der Designentwicklung.

Lutz Dietzold

Lutz Dietzold, Geschäftsführer Rat für Formgebung, © Lutz Sternstein

Als Auslober des “German Design Award” sowie der „ICONIC AWARDS: Innovative Interior“ beobachten Sie kontinuierlich, was die Designwelt bewegt. Welche wegweisenden Gestaltungstrends lassen sich aktuell ausmachen?

Wir erkennen eine ganze Reihe an Tendenzen, die die globalen Megatrends – Klimawandel, Digitalisierung, Bevölkerungswachstum – aber auch die jüngsten Herausforderungen der Pandemie aufgreifen. Da sehen wir tolle Innovationen im Bereich der Medizintechnik, aber auch im Feld automatisierter Lösungen.

Im Zuge der Corona-Pandemie ist zudem die eigene Wohnwelt stärker in den Fokus gerückt. Flexible Home Office-Lösungen sind ebenso auf dem Vormarsch wie Ideen für Erlebnis- und Genussmomente im Bad- oder Outdoor-Bereich. Ob Maßanfertigungen oder modulare Möbel, in Farbe, Form und Material können Produkte häufig individuell gestaltet werden. Insgesamt lässt sich eine Rückwendung zu mehr Einfachheit beobachten, die den Kontrapunkt zur steigenden Komplexität der digitalen Arbeitswelt bildet.

Nicht immer auf den ersten Blick sichtbar tragen Innovationen im Bereich Natur- oder High-Tech-Materialien zu ganz neuen Effekten, aber auch nachhaltigeren Produktionsprozessen bei.

Ein zunehmend wichtiges Thema im Design Bereich ist Nachhaltigkeit. Warum ist dieses Thema mehr als ein Trend?

In unserer Gesellschaft hat sich ein starkes Bewusstsein für die Notwendigkeit nachhaltigen Produzierens und Konsumierens entwickelt. Wo vorher Trends ein bestimmtes Material kritisch hinterfragt haben, ist ein ganzheitlicher Anspruchskanon entstanden, der quasi alle Aspekte erfasst: Neben der Herstellung und Distribution von Produkten geht es hier auch um den Zugang der Käufer zum Produkt und dessen Nutzungsdauer.

Konsumenten evaluieren ihr eigenes Kaufverhalten deutlicher vor dem Hintergrund ökologischer Aspekte und eines gesellschaftlichen Lebensgefühls, das soziale Verantwortung ausdrücken möchte. Auch bei den Einreichungen zu den diesjährigen ICONIC AWARDS: Innovative Interior behaupteten sich eine ganze Reihe an Produkten vor diesem Anspruch, ebenso beim German Design Award.

Nachhaltigkeit erreicht zunehmend die Mitte unserer Gesellschaft. Welche Rolle spielen ihrer Ansicht nach Designer und Marken bei dieser Bewegung?

Marken und Designer werden von dieser Bewegung neu gefordert. Da profitieren vor allem Unternehmen, die aktiv gesellschaftliche Fragestellungen aufgreifen und so Verantwortung übernehmen. Kampagnen müssen eindeutig und anschlussfähig sein. Designer sind wichtige Impulsgeber, sie stehen in der Pflicht, qualitativ bessere Produkte zu entwickeln und die Unternehmen zu Investitionen in Nachhaltigkeit und Zirkularität aufzufordern.

sustainable chair

Wehlers Design, R.U.M Chair, hergestellt aus 100% recyceltem Material

Welche Erwartungen werden heutzutage an ein “gutes Design” gestellt und hat sich diese Erwartung in den letzten Jahren verändert?

Wenn Überproduktionen vermieden werden und Produkte langlebiger sein sollen, müssen sie von herausragender Qualität und Funktionalität sein – und sie müssen Konsumenten wirklich Freude bereiten und ihnen einen Mehrwert bieten. Das ist die wichtigste Entwicklung in der Definition von „gutem Design“: Die funktional wahrnehmbare und verstandene Nachhaltigkeit spielt für den Erfolg eines Produktes heute eine erhebliche Rolle.

Wie definieren Sie ein “nachhaltiges Design” und warum ist es eine Herausforderung, hierfür allgemeingültige Industriestandards zu definieren?

Nachhaltiges Design nutzt in allen Produktionsstufen und Lieferketten Einsparpotenziale, setzt in seiner Materialität und Funktion auf einen langen Lebenszyklus, stützt die Nachhaltigkeitsbotschaft einer Marke, sichert langfristigen Unternehmenserfolg und ist für jedermann zugänglich.

Es ist daher zunächst im Eigeninteresse der Unternehmen, vorausschauend zu agieren und Regulierung frühzeitig zu antizipieren. Auf UN-Ebene, aber auch hier in Deutschland gibt es Regelungen als Treiber der Transformation. Aber die bisher verwendeten Produktionsmethoden und Technologien erlauben es nicht so einfach, Wachstum und Ressourceneinsatz zu entkoppeln. Dies gilt im Besonderen vor dem Hintergrund einer weiterwachsenden Weltbevölkerung, sinkenden Ertragszuwächsen in der Landwirtschaft und gleichzeitiger Verschmutzung der Ökosysteme.

Der Rat für Formgebung schafft "Markenmehrwert durch Design”. Warum hängen Design und Markenentwicklung so eng zusammen?

Design ist das Distinktionsmerkmal im Wettbewerb. Wir erleben eine hohe Sättigung der Märkte, Produkte wirken oft austauschbar. Es ist zunächst die Formensprache, welche die Aufmerksamkeit der Kunden weckt. Wiedererkennbarkeit und Vertrauen in eine Marke sind wichtige Parameter im Aufbau einer erfolgreichen Kundenbeziehung. Eine konsistente Designstrategie stärkt die Marken-Loyalität, wenn sie ganzheitlich erlebbar ist.

Sustainable design

Copyright by Studio Flaer

Unternehmen sind gefordert, sich intensiv mit Kundenbedürfnissen auseinander zu setzen. Wie gewinnt mein Produkt die Aufmerksamkeit der Konsumenten? Wie biete ich ein Höchstmaß an Qualität und Funktionalität, um durch Langlebigkeit zum relevant set meines Kunden zu gehören?

Wie hat die Corona-Krise die Bedeutung von Design und Gestaltung in unserer Gesellschaft beeinflusst?

Mit der Corona Krise erfuhr das eigene Zuhause eine neue Ein- und Wertschätzung. Im Fokus der Aufmerksamkeit stand die eigene Flexibilität und die Anpassungsfähigkeit von Räumen, die plötzlich für Beruf- und Familienleben genutzt wurden – nicht selten sogar von verschiedenen Familienmitgliedern für unterschiedliche Tätigkeiten gleichzeitig. Möbel wurden gerückt oder gar zugunsten einer besseren Funktionalität ausgetauscht.

Gleichzeitig wächst das Bedürfnis, das Zuhause zum Wohlfühl-Refugium zu machen. Als Rückzugsort fernab von hektischen Nachrichten findet man hier Ruhe und Geborgenheit. Eine individuelle Einrichtung des Badezimmers oder die Anschaffung eines langersehnten Möbelstücks sollen Komfort schaffen und das Zuhause mit einer persönlichen Note veredeln – Urlaub von der Krise.

Sustainable design

GROHE Blue Pure, © Grohe AG

Warum ist es für unsere Zukunft besonders wichtig, Designnachwuchs und Newcomer zu fördern?

Nachwuchsförderung bedeutet Qualitätssicherung und Innovationsfähigkeit. Die Kreativität von Studierenden ermöglicht wertvolle Perspektivwechsel. In der Konfrontation mit dem Know-how und der Praxisschubkraft renommierter Unternehmen entsteht so in der Regel eine beachtliche Innovationskraft. Für den Rat für Formgebung ist es ein besonderes Anliegen, den Unternehmen in Deutschland diese Tür zur nächsten Generation zu öffnen:

Mit dem German Design Award Newcomer und dem ein&zwanzig Newcomer Award, der jährlich während der Milan Design Week den internationalen Nachwuchs präsentiert, bietet der Rat für Formgebung Newcomern eine prominente Bühne. Seit vielen Jahren verleihen wir auch im Umfeld anderer Wettbewerbe Auszeichnungen an Studenten und Absolventen. Hier sind schon viele fruchtbare Kooperationen entstanden. Aus unseren Newcomern sind längst Treiber einer neuen Moderne geworden.

Vielen Dank für das Interview Herr Dietzold

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