"Wenn wir als Designer und Verbraucher nichts über das Produkt wissen, können wir es nicht bewerten“
EIN INTERVIEW MIT SEP VERBOOM, GRÜNDER VON LIVABLE
Rattan Daydreamer by Auping x Margaux Baert x Sep Verboom, Source & Copyright by Livable
Source and Copyright by Livable
Autor: Haus von Eden
Ein Interview mit Sep Verboom, Gründer der Plattform Livable, einem Produktdesigner der nächsten Generation welcher sich zur Aufgabe gemacht hat, das Bewusstsein für soziale Nachhaltigkeit und kritisches Design zu schärfen. Er glaubt fest an eine Designkultur, die dem Planeten und der Gesellschaft gleichermaßen zugute kommt.
Demnach nutzt er diese als Prozess, um lokales Wissen einzubeziehen und die Auswirkungen auf Menschen und den Planeten zu kommunizieren. Ferner ergibt sich Seps Verständnis eines Objekts, eher aus seinen Projekten und der Umgebung, als aus dem Designziel selbst. Deshalb stärkt seine Plattform Livable eine Haltung und ermöglicht eine kritische Gemeinschaft mit einem erweiterten Blick auf Gesellschaft und Design - Jenseits von Ästhetik und Funktion.
Sep Verboom, Founder of Livable
1. Warum hast Du Livable gegründet?
Kurz vor meiner Abschlussarbeit musste ich mich für ein Thema entscheiden. Jeder um mich herum suchte nach Unternehmen, mit denen er zusammenarbeiten konnte. Ich war mir aber nicht ganz sicher, in welcher Art von Branche ich arbeiten wollte. Daher machte ich mich auf die Suche, um meine Interessen besser kennenzulernen. Wenn ich jetzt an mein erstes Projekt zurückblicke, war ich super naiv. Ich ging auf die Philippinen, dort eröffnete sich eine ganz neue Welt in Sachen Design für mich. Kurz gesagt: Ich habe es geschafft, lokale Handwerker mit Trödelläden zu verbinden, um neue lokale Designs zu entwickeln.
Es drehte sich alles um Zusammenarbeit und das war das, was sich zu meinem Interesse entwickelte: Ich wollte vorhandenes Wissen und Erfahrungen verknüpfen, um neue Dinge für die Menschen vor Ort zu schaffen. Deswegen habe ich mir die Frage gestellt, ob ich mein ganzes Leben und meine Karriere in einem Designbüro oder in einer Fabrik verbringen möchte, welche Dinge für Ästhetik und Verkauf produziert. Schnell war ich mir im Klaren, dass dies nicht meine Bestimmung ist. Demnach waren die nächsten Jahre und alle folgenden Projekte im Grunde mein Masterstudium. Sozusagen mein Meisterprojekt durch reale Lebenserfahrung. All dies half mir, die Welt besser zu verstehen und zeigte mir wo ich hingehören würde.
Sunglasses from Capis Oyster by Breezm x Sep Verboom, Source & Copyright by Livable
2. Was bedeutet für Dich kritisches Design?
Kritisches Design berücksichtigt alle Aspekte des Designs. Viele erstellen ihre Skizzen, ohne zu wissen wo ihre Objekte hergestellt werden. Folglich wissen sie nichts über die Auswirkungen auf die Menschen und ihre Umgebung. Darüberhinaus stehen sie nicht einmal in Kontakt mit denen, die ihre Entwürfe verwirklichen. Wie kann man ein guter Designer sein und über ein fertiges Objekt nachdenken, wenn man nicht weiß, welche Auswirkungen es hat. Oder woher die Materialien kommen und ob Menschen dafür leiden mussten? Wenn sie sich mehr mit dem gesamten Prozess auseinandersetzen, lernen sie auch viel mehr.
Die Menschen, die für ihre Objekte arbeiten, sind in der Regel Meister und Profis auf ihrem Gebiet. Deshalb höre, beobachte und rede ich viel. Für mich ist meine Arbeit als Designer nicht mehr das Objekt, sondern den Prozess mitzugestalten. Um so den Menschen zu zeigen, was dahintersteckt. Kritisches Design bedeutet also, sich seiner Arbeit bewusst zu sein und mit ihr in Einem zu sein. Wenn wir als Designer und Verbraucher nichts über das Produkt wissen, können wir es nicht bewerten. Infolgedessen werfen wir es früher oder später weg, weil es uns egal ist.
3. Die LIVABEL Plattform ist in Attitude, Community und Invitation unterteilt. Wofür stehen die drei Säulen?
Die verschiedenen Projekte und Partner haben mir gezeigt, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt. Auch die Arbeit mit all diesen unterschiedlichen Menschen hat mir neue Einsichten und Erkenntnisse gebracht. Demnach suchte ich nach Möglichkeiten, bestimmte Denk- und Arbeitsweisen zu teilen und zu verbessern. In Folge dessen haben wir begonnen, Workshops und Vorträge über Projekte zu veranstalten. Die wir in der Vergangenheit durchgeführt haben. Somit hat sich unsere Arbeit von der Gestaltung realer Objekte zu einem eher servicebezogenen Design entwickelt. Vielmehr bedeutet es, dass wir nicht mehr nur Produkte designen, sondern Wissen verbreiteten und Bewusstsein schärfen. Das war die ursprüngliche Idee der Livable-Plattform.
Apropos Säulen: Einstellung ist eine Denkweise, es gibt viele Möglichkeiten, diese zu verbreiten und zu teilen. Wir bieten eine Dienstleistung, bei der wir uns auf eine Denkweise konzentrieren, die die Balance zwischen sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen hält. Dank all der Workshops, Vorträge und Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben wir eine großartige Community geschaffen. Schließlich stoßen wir mit unseren Einladungen ein Projekt oder ein Thema an und suchen Leute, die auch daran arbeiten. Ich hoffe, dass diese Community in Zukunft von selbst agieren wird und Projekte alleine initiiert.
FAN lamp by Co-creative Studio x Sep Verboom, Source & Copyright by Livable
4. Livable wird auf viele verschiedene Arten mitgestaltet, kannst Du uns einige Beispiele nennen?
Jedes Projekt kommt mit einer anderen Gruppe von Partnern, demnach bin ich nie alleine. Oft sind viele Menschen beteiligt, die nicht immer sichtbar sind. Ebenso glaube ich nicht, dass das Konzept des Star-Designers noch zukunftsfähig ist, deshalb setze ich auf Kollaborationen. Auch Innovation ist ein wichtiger Aspekt, zum Beispiel suchten wir in einem unserer neuesten Projekte nach Unternehmen und Designstudios in Belgien. Welche sich an der lokalen Entwicklung neuer Anwendungen für biobasierte Materialien beteiligen wollten. Das ist unser Matchmaking-Ansatz und jetzt arbeiten wir zusammen, um ständig eine neue Denkweisen zu entwickeln.
Zum Anderen müssen wir beginnen, stärker lokal zu denken. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Projekt in Peru. Dafür haben wir im peruanischen Amazonas mit lokalen Gemeinschaften zusammengearbeitet, die nur mit zertifiziertem Holz aus dem Wald arbeiten. Folglich haben wir dann die Kollektion auf den Markt gebracht, die nur in Peru erhältlich war. Später haben wir die Kollektion in Mailand ausgestellt. Daraufhin wurden wir gefragt, warum diese Objekte präsentiert werden, wenn sie eigentlich niemand kaufen kann. Grund dafür ist: dass die Verbraucher verstehen müssen, dass es keinen Sinn macht, Tropenhölzer ans andere Ende der Welt zu schicken, nur um sie zu verkaufen und Geld zu verdienen.
Project ONTketen - local bio-based material, Source & Copyright by Livable
Außerdem zielen wir mit den Ausstellungen darauf ab, mit den Verbrauchern in Kontakt zu treten. Kürzlich haben wir einen Dokumentarfilm über Kork herausgebracht. Damit möchten wir Infos über das Ökosystem dieses Materials teilen und hervorheben. Dazu gehört auch eine Installation, an welcher die Leute das Material tasten und erleben können. Gerade jetzt, mit den steigenden Umweltproblemen, ändert sich die Denkweise der Verbraucher stetig. Die Menschen sind neugierig und bereit neue Denkweisen zu finden.
5. Wie sieht die Zukunft der Designbranche aus?
Was wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren sehen werden ist, dass all diese Ideen und Konzepte zum Leben erweckt werden. Ich denke, jetzt haben wir genug experimentiert, um all das Wissen in die Tat umzusetzen. Es werden also immer mehr Innovationen und Experimente auf den Markt kommen. Da ich aus der Sicht eines Designers spreche, bin ich mir nicht sicher, ob der Wandel in erster Linie von der Industrie kommen wird. Unternehmen haben Investoren und diese entscheiden in vielen Fällen über das weitere Vorgehen. Daher ist es wichtig, dass wir neutrale Personen involvieren, um die Richtungen in den Gremien auszuarbeiten und zu lenken. Der Verbraucher selbst hat die Macht etwas zu ändern, indem er weise auswählt was er kauft. Auch wenn dies nur ein kleiner Aspekt ist.
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