Ein Forschungs-Team aus den USA hat ein innovatives Material entwickelt, das auf biologisch abbaubaren Stoffen basiert und Stahl ersetzen könnte…
Autor: Haus von Eden
Die Bauindustrie ist seit jeher auf Stahl als wichtigen Rohstoff angewiesen. Doch die Herstellung von konventionellem Stahl ist mit erheblichen Umweltbelastungen verbunden. Der Produktionsprozess ist energieintensiv und setzt große Mengen an Treibhausgasen frei. So entfallen laut WWF-Daten allein in Deutschland 47 Prozent der im europäischen Emissionshandel erfassten industriellen Emissionen auf die Eisen- und Stahlproduktion – das entspricht 51 Millionen Tonnen. Darüber hinaus ist die Gewinnung der erforderlichen Rohstoffe wie Eisenerz und Kohle oft mit Umweltzerstörung und sozialer Ausbeutung verbunden. Höchste Zeit also für eine umweltfreundliche Alternative, die jetzt in greifbarer Nähe zu sein scheint…
Welche ökologischen Folgen verursacht die herkömmliche Stahlproduktion?
Bevor wir einen Blick auf die Lösung werfen, ist es wichtig, sich der Tragweite des Problems bewusst zu werden. Welche negativen Auswirkungen die Herstellung von konventionellem Stahl auf die Umwelt hat, haben wir im Folgenden aufgelistet:
- Treibhausgasemissionen: Die Stahlproduktion ist äußerst energieintensiv und erfordert den Einsatz fossiler Brennstoffe. Somit ist sie für einen erheblichen Anteil der globalen Kohlendioxidemissionen verantwortlich.
- Luftverschmutzung: Während des Produktionsprozesses werden Schadstoffe wie Schwefeldioxid, Stickoxide und Feinstaub freigesetzt, die die Luftqualität beeinträchtigen.
- Wasserverschmutzung: Die Abwässer aus Stahlwerken enthalten oft giftige Chemikalien und Schwermetalle, die in Gewässer gelangen und die Ökosysteme schädigen können.
- Landschaftszerstörung: Der Abbau von Eisenerz erfolgt häufig im Tagebau, was zu Erosion, Verlust von Lebensräumen und Zerstörung von Landschaften führt.
Neuer wissenschaftlicher Ansatz auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stahl-Alternative
Um den negativen Auswirkungen der Stahlindustrie etwas entgegenzusetzen, wird weltweit an ökologischen Ersatzstoffen geforscht. Wissenschaftler:innen des Oak Ridge National Laboratory (ORNL) und der University of Maine (UMaine) ist nun in Zusammenarbeit mit SHoP Architects ein Durchbruch gelungen. Sie haben ein neuartiges Baumaterial aus ökologischen Grundstoffen erschaffen, das Stahl ersetzen könnte.
Bei der Entwicklung hat sich das Team an der Luftfahrtindustrie orientiert, wo neue Technologien zunächst in kleinen Teilen eingeführt und dann auf größere Bereiche ausgeweitet werden. Diese Strategie haben die Wissenschaftler:innen auf die Bauindustrie übertragen, indem sie sich auf ein spezifisches Bauelement konzentrierten - in diesem Fall eine Bodenplatte aus leichtem Stahl. Das Ziel war es, dieses herkömmliche Element durch ein einziges, im 3D-Druck hergestelltes, biobasiertes Teil zu ersetzen. Dieser Ansatz ermöglichte es dem Team, die Leistungsfähigkeit der neuen Technologie gezielt zu testen und zu optimieren, bevor eine breitere Anwendungspalette in Angriff genommen wird.
Stronger together: Ein starker Material-Mix
Die innovative Bodenplatte, die unter dem Namen „SM2ART Nfloor Cassette Panel" vorgestellt wurde, besteht aus einer sorgfältig ausgewählten Kombination von Materialien, die sowohl nachhaltig als auch leistungsstark sind. Die Hauptkomponente der Paneele ist Polylactid (PLA), ein Bioplastik, das Mais gewonnen wird. Immerhin lässt sich PLA im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen biologisch abbauen und hinterlässt in der Herstellung einen geringen CO2-Fußabdruck. Dem PLA wird Holzmehl beigefügt, das aus Abfällen der Holzverarbeitung stammt. Diese Kombination verleiht dem Material zusätzliche Steifigkeit und verbessert seine strukturellen Eigenschaften.
Source & Copyright by University of Maine
Form follows Function: Das Design macht den Unterschied
Dort wo die Materialeigenschaften im Vergleich zu herkömmlichem Stahl noch Schwachstellen aufwiesen, schafften die Wissenschaftler:innen mit cleverem strukturellem Design einen Ausgleich. So spielt auch die geometrische Form der Paneele eine wichtige Rolle. Das Design verteilt die Last auf die äußeren Kanten, wo die Platte in der Stahlkonstruktion des Gebäudes aufliegt. Für die komplexen Strukturen der „SM2ART Nfloor Cassette Panel" kommt beim Herstellungsprozess modernste 3D-Drucktechnologie zum Einsatz. So wird eine hohe Flexibilität in der Formgebung und Materialverteilung ermöglicht.
Im Vergleich zu herkömmlichen Stahlbeton-Kassetten, die oft aus über 30 Teilen und drei verschiedenen Materialien bestehen, bietet das im 3D-Druck gefertigte Paneel eine deutliche Vereinfachung. Die Forscher:innen schätzen, dass der Arbeitsaufwand in der Herstellung um etwa 33 Prozent geringer ausfällt. Zudem ist ein wesentlicher Vorteil des 3D-Druckverfahrens die Möglichkeit, Kanäle für Verkabelung, Rohrleitungen und Lüftungskanäle direkt während des Herstellungsprozesses in die Bodenplatte zu integrieren. So werden nachträgliche Bearbeitungen unnötig, was Zeit und Kosten spart.
Leistungsvergleich mit konventionellem Stahl
Ein entscheidender Aspekt bei der Entwicklung der nachhaltigen Stahl-Alternative war der Vergleich ihrer Leistungsfähigkeit mit herkömmlichen Baumaterialien. Folgende Faktoren hatten die Wissenschaftler:innen dabei im Blick:
- Festigkeit und Stabilität: Laut den durchgeführten Tests weist das „SM2ART Nfloor Cassette Panel" die gleiche Festigkeit auf wie eine typische Stahl-Beton-Bodenkonstruktion. Somit wäre das Material für den strukturellen Einsatz in Gebäuden geeignet.
- Flexibilität im Design: Stahl lässt sich leicht biegen, schweißen und in verschiedene Formen bringen, was eine hohe Gestaltungsfreiheit in der Architektur ermöglicht. Dadurch, dass sich die nachhaltige Stahl-Alternative im 3D-Druck verarbeiten lässt, ist auch hier höchste Flexibilität bei der Gestaltung gegeben.
- Komfort und Nutzbarkeit: Ein interessanter Nebeneffekt der neuen Bodenplatten ist ihr verbesserter Gehkomfort. Die Forscher:innen berichten, dass die Oberfläche angenehmer zu begehen ist als herkömmliche Böden aus Stahl und Beton.
- Akustische Eigenschaften: Obwohl detaillierte akustische Tests noch ausstehen, vermuten die Wissenschaftler:innen, dass die Kombination aus Bioplastik und Holzmehl auch vorteilhafte Schalldämmungseigenschaften aufweisen könnte. Dies könnte in Mehrfamilienhäusern oder Bürogebäuden von großem Nutzen sein.
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Ökologische Benefits der nachhaltigen Stahl-Alternative
Durch den Gebrauch der biobasierten Bodenplatten könnten sich die Umweltauswirkungen des Baugewerbes erheblich reduzieren. Diese Vorteile bietet die Innovation:
- Reduzierter CO2-Fußabdruck: Durch die Verwendung von Bioplastik und Holzmehl anstelle von Stahl und Beton wird der CO2-Ausstoß bei der Herstellung deutlich gesenkt.
- Biologische Abbaubarkeit: Ein weiterer Vorteil der „SM2ART Nfloor Cassette Panel" ist, dass sie biologische abbaubar sind. Im Gegensatz zu Stahl und Beton, die nach dem Abriss eines Gebäudes oft schwer zu entsorgen sind, lassen sich diese Paneele einfach zersetzen.
- Recyclingfähigkeit: Die Monomaterial-Konstruktion der Paneele erleichtert das Recycling erheblich. Stahl kann zwar sehr gut recycelt werden, tritt aber in der Bauindustrie oft im Verbund mit anderen Materialien wie zum Beispiel Beton auf. Im Gegensatz zu diesen Verbundmaterialien können die Paneele am Ende ihrer Lebensdauer einfach zerkleinert und für neue Produkte wiederverwendet werden.
- Ressourceneffizienz: Die Nutzung von Nebenprodukten und Abfällen aus der Landwirtschaft und Holzindustrie für die Herstellung der Paneele fördert die Kreislaufwirtschaft und reduziert den Bedarf an neuen Rohstoffen.
Anwendungsbereiche und Potenzial des ökologischen Ersatzstoffs
Der innovative Ersatzstoff für konventionellen Stahl eröffnet ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten:
- Modulares Bauen: Die "SM2ART Nfloor Cassette Panel" eignen sich besonders gut für modulare Bauweisen. Ihre einheitliche Struktur und die Möglichkeit, sie in verschiedenen Größen zu produzieren, machen sie ideal für vorgefertigte Bauelemente.
- Renovierung und Sanierung: Die leichten und anpassungsfähigen Eigenschaften der Paneele machen sie auch für Renovierungsprojekte interessant. Sie könnten somit eine effiziente Lösung für die Modernisierung älterer Gebäude bieten.
- Temporäre Bauten: Aufgrund ihrer Recyclingfähigkeit und einfachen Installation eignen sich die Paneele auch hervorragend für temporäre Bauten wie Ausstellungspavillons oder Notunterkünfte.
- Einsatz in Entwicklungsländern: Die relativ einfache Herstellungstechnologie der Paneele könnte auch für Entwicklungsländer interessant sein. Ein Technologietransfer könnte diesen Ländern helfen, nachhaltige und kostengünstige Bauweisen zu etablieren.
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Fazit: Erster Schritt in eine stahlfreie Zukunft
Die Entwicklung der innovativen „SM2ART Nfloor Cassette Panel“ kann als wichtiger Fortschritt auf dem Weg zu einer ökologischeren Bauindustrie angesehen werden. Sie ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit und innovative Denkansätze zu Lösungen führen können, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind. Sie zeigen, dass der Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft nicht nur möglich, sondern auch praktisch umsetzbar ist. Noch steckt die Technologie in den Kinderschuhen, aber ihr Potenzial für eine ökologische Revolution in der Bauindustrie ist unbestreitbar. Schließlich schafft es die nachhaltige Stahl-Alternative, Umweltfreundlichkeit und Leistungsfähigkeit zu verbinden, und könnte somit ein wichtiger Werkstoff für die Zukunft werden.
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