Zukunftsfahrt der Automobilbranche zur Station Nachhaltigkeit?

6 Fragen an Prof. Dr. Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management, über die Zukunftsfähigkeit der Mobilität

Im Interview mit Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor Center of Automotive Management

Interview Prof Bratzel Mobility Zukunft
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Autor: Haus von Eden

Die Zukunft der Automobilwirtschaft entsteht jetzt. Wir können den Wandel geradezu sehen. Elektromobilität, Sharing Systeme und Autonomes Fahren sind aktuelle Trends, die bereits spürbar auf den Straßen vertreten sind. Trotzdem braucht es für die Klimabekämpfung mehr Beschleuniger für eine echte Transformation. Prof. Dr. Stefan Bratzel beschäftigt sich mit der Umgestaltung der Automobilbranche im wissenschaftlichen Center of Automotive Management (CAM) für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung. Im Interview mit Haus von Eden gibt er einen Einblick in die Mobilität von morgen und klärt auf über derzeitige Mythen.

Portrait prof Bratzel

Prof. Dr. Stefan Bartezl, Leiter und Direktor CAM

1. Keine Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ab 2035 - Ist das die Lösung?

Ja ich glaube, dass es für das Thema Klimaschutz und die Gesetze keine Alternative zur Elektrizität gibt. Dafür haben wir die Fahrzeuge, die Ladeinfrastruktur muss allerdings noch verbessert werden. Zudem ist das Thema Elektromobilität erst dann grün, wenn der Strom zum Laden der Fahrzeuge nachhaltig erzeugt wird und somit die ganze Wertschöpfungskette möglichst CO2-neutral und nachhaltig gestaltet ist. Das stellt für die nächsten Jahre eine große Herausforderungen dar. Aber andere Alternativen bieten hierfür keine bessere Lösung.

Oft wird das Thema Wasserstoff erwähnt, das ist eine Thematik, die im Moment eher eine theoretische Debatte ist, weil wir haben sozusagen nicht genug (grünen) Wasserstoff. Auf der Langstrecke und für Pkw sehe ich für Wasserstoff derzeit keine Chance, allenfalls im öffentlichen Nahverkehr. Wir haben nicht genug regenerativen Strom, dem man drei mal mehr bräuchte, um die gleiche Energie am Rad zu haben. Somit sollten wir uns auf das Thema elektrische Mobilität und Effizienzverbesserung konzentrieren.

2. Gibt es mittlerweile nachhaltigere Batterietechnologien?

Die Batterietechnologie ist sicher nach wie vor eine sehr große Herausforderung. Man muss die Herstellungskosten reduzieren, damit elektrische Mobilität auch erschwinglich bleibt. Aber eine weitere große Herausforderung liegt darin, die gesamte Wertschöpfungskette grüner zu machen. Da geht es im Wesentlichen auch darum, die mögliche Reduzierung der Rohstoffe voranzubringen. Auch da muss man Vorsorge treffen und die ganze Wertschöpfungskette im Blick haben.

Es gibt auch viel Forschungen rund um die alternativen Feststoffbatterien. Das ist allerdings kein kurzfristiges Thema. Denn in den nächsten Jahren wird der weitaus größte Teil der Batteriezellen Lithium benötigen. Daher kommt es jetzt auf Effizienzthemen an, um die Rohstoffe möglichst zu reduzieren. Kobold ist auch so ein Punkt, es gibt bereits große Fortschritte, sodass man den Einsatz des Rohstoffes reduzieren kann. Es zeigt sich also, dass da noch sehr viel möglich ist.

Dann haben wir noch ein Thema: Recycling. Das heißt, wenn der Rücklauf dann irgendwann stattfindet. Das wird in den nächsten 10 Jahren auf uns zukommen. Und dann muss man einen Großteil der Rohstoffe auch wiedergewinnen. Weil Batterien zwar altern, aber die Rohstoffe können fast vollständig wiederverwertet werden.

DB Wasserstoff Ladestation Mobility Zukunft

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3. Wie sieht es mit der Demokratisierung der Ladestationen aus?

Ja, das gehört mit zu diesem Gesamtthema dazu, dass man eine Ladeinfrastruktur schafft, die dicht, weit zugänglich und zuverlässig ist. Dass sich der Fahrer von A nach B darauf verlassen kann. Dass die Ladestation, die angezeigt wird, frei ist und funktioniert. Das ist nicht selbstverständlich, da hat Tesla ein riesigen Vorteil durch die eigene Ladeinfrastruktur. Auch die anderen Hersteller sind dran, um dieses Thema besser in den Griff zu bekommen. Auf der Langstrecke stellt das eines der Hauptprobleme dar.

Das Problem ist, dass die Ladeinfrastruktur in Deutschland durch eine Vielzahl von Akteuren belegt wird. Das sind in der Regel Stadtwerke, das sind größere Player wie ENGB. Aber es sind über hundert Anbieter. Von Seiten des Staates hätten eigentlich schon seit längerren bessere Rahmenbedingungen gesetzt werden müssen. Es ergibt keinen Sinn, dass es nur Monopolisten in bestimmte Regionen gibt, die somit den Preis irgendwann diktieren können. Klar ist aber auch, die Hersteller sind noch mehr in der Pflicht. Denn wenn die Hersteller nicht das Thema mit Druck angehen, dann bewegt sich relativ wenig. Sie haben aber jetzt auch den größten Druck, denn sie müssen Autos verkaufen.

4. Sehen Sie eine Problematik im Daten-Sharing?

Beim Datenschutz muss man genau hinschauen und es braucht genaue rechtliche Vorgaben. Es ist aber schon interessant, dass man beim Auto darauf sehr stark achtet, aber wenn es um Google, Apple und Co. geht, wird noch recht schnell auf "ok" gedrückt. Im Automobilsektor gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, um aus Fast-Data eine Monetarisierung abzuleiten. Wo wir relativ schnell jetzt auch Fortschritte sehen werden, sind datenbasierte Versicherungen. Da werden die Daten des Fahrers ausgewertet, wie schnell fährt der, wie beschleunigt er, wie fährt er auf. Aus diesen Daten lassen sich dann sehr gute Versicherungstarife ableiten.

Wenn ich den Kunden dann sehr gut kenne, kann ich ihm auch zum Beispiel zur richtigen Zeit vorschlagen einen Kaffee zu trinken. Davon können dann auch verschiedene Player außerhalb des Automobilmarktes stark profitieren. Hier ist China uns einige Jahre voraus, das muss man ganz klar sagen. Da spielt das Thema Datenschutz eine andere Rolle, der Staat gibt die Dinge einfach vor.

Tesla Gigafactory Mobility Zukunft

 Quelle & Copyright by Tesla, Giga Factory

5. Welche Rolle spielen Automobilmessen wie die IAA heutzutage noch?

Die IAA ist ähnlich wie die ganze Branche in einer großen Transformation. Das zeigt sich auch, wenn man vor Ort ist. Eine große Überraschung war das aber nicht. Die Stände sind deutlich kleiner und es gibt jetzt plötzlich eine Halle mit Fahrrädern. Das gab es so vorher nicht. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren muss man fast mit der Lupe suchen. Und die Diskussionsformate sind eindeutig ausgedehnt, die hatten vorher einen kleineren Anteil.

Das ist neu und gleichzeitig eine große Herausforderung für eine Automobilmesse wie die IAA Mobility. Marken wie Tesla tauchen grundsätzlich selten auf Messen auf. Weil sie die Möglichkeiten haben anders zu kommunizieren. Eine große Marketingmaschine ist z.B. Gründer Elon Musk selbst, der  sine Botschaften via Twitter verteilt. Und dann macht Tesla das, was viele mittlerweile ähnlich machen: Hausmessen. Also man lädt Journalisten einfach vor Ort ein. Das ist schon eine veränderte Situation.

6. Wird es die Mobilität von heute noch in Zukunft geben und welche Rolle spielt Deutschland dabei?

Die Mobilität wird sich in den nächsten 10 Jahren stark verändern. Natürlich haben wir noch weiterhin private Mobilität vor allem in ländlichen Bereich. Wir sehen in den städtischen Regionen eine starke Entwicklung dahingehend, dass der Anteil vom privaten Autoverkehr reduziert wird. Und das zugunsten des öffentlichen Verkehrs, inklusive des Radverkehrs und Fußgängerverkehrs.

Das hat mit Parkplätzen und Fahrspuren zu tun. Natürlich braucht es dann auch Angebote und Fahrdienste wie Car-Sharing, die sich immer autonomer auf den Straßen bewegen. Auch autonome Shuttles werden in den nächsten 5 bis 10 Jahren kommen. Erst in begrenzten Gebieten auf abgetrennten Spuren, aber längerfristig auch mit deutlich erweiterten Angeboten. In der höchsten Ausbaustufe sehen wir das schon so, dass kein Fahrer mehr dabei sitzt. Wir haben das teilweise schon in Amerika, wenn auch nur in sehr begrenzten Anwendungsfällen. Europäische Städte sind natürlich viel komplexer.

Laut Innovations-Index des CAM ist Deutschland Vorreiter. Deutschland hat eine relative breite Basis bei den Technologien, das ist ein großer Vorteil. Wir haben die wichtigsten Premiumhersteller in Deutschland, das heißt wir können auch etwas mehr dafür verlangen und sind eben recht innovativ zusammen mit Tesla. Aber wir sehen auch seit einigen Jahren die Tendenz, dass die chinesischen Autobauer immer besser werden. Auch mit Unterstützung der Zulieferer aus dem Westen.

Vielen Dank für das Gespräch Prof. Dr. Stefan Bratzel

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