Fashion Transparency Index 2023 mahnt & motiviert zu mehr Transparenz

Der Fashion Transparency Index 2023 zeigt die Dringlichkeit nach Wandel in der Mode, aber auch Verbesserung - angeführt durch Luxusmarken

Fashion Transparency Index 2023

Autor: Haus von Eden

Fashion Revolution hat die achte Ausgabe seines jährlichen Fashion Transparency Index lanciert. Dieser ist ein global anerkanntes Instrument, um die größten Modemarken zu mehr Transparenz in Bezug auf ihre sozialen und ökologischen Bemühungen zu motivieren. Hinter dieser Mission steckt die Überzeugung, dass Transparenz eine Grundvoraussetzung dafür ist, systemischen Wandel in der Modeindustrie zu erreichen. Die Offenlegung von Information gilt als Schlüssel dazu, Marken zu hinterfragen, sie für ihre Behauptungen zur Rechenschaft zu ziehen und sich für einen positiven Wandel einzusetzen.

"Wir können nur das verbessern, was wir sehen". - Fashion Revolution

Dieses Jahr wurden 250 der weltweit größten Modemarken überprüft. Erwähnenswert ist, dass es sich somit um mehr Brands als je zuvor handelt, die freiwillig mehr Information denn je offenlegten. Diese bezieht sich auf die sozialen und ökologischen Praktiken sowie Auswirkungen in ihren Betrieben und Lieferketten. Final resultierten daraus 64.500 Datenpunkte zu 258 Indikatoren, die die drängendsten Probleme der Industrie betreffen. Darunter die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette, der Gebrauch von toxischen Stoffen oder Materialien und menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Zudem wurden die Indikatoren für den verantwortungsvollen Umgang mit CO2 verstärkt, um den Prozess der Dekarbonisierung nachvollziehbarer zu machen.

Das sind die 10 Key Findings des Fashion Transparency Index 2023

Der diesjährige Index legt offen, dass die eingestuften Brands ihren Durchschnittswert im Vergleich zum letzten Jahr um 2 % verbessern konnten. Erstmals erreichten zwei Marken sogar 80 % oder mehr in ihrem Gesamtranking. Allerdings liegen 70 von 250 Marken immer noch im Bereich von 0-10 %. Trotz steigender Teilnahmebereitschaft und nachhaltiger Entwicklung zeigt der Index also einen Mangel an Transparenz in entscheidenden Bereichen. Die Ergebnisse regen Zuversicht und Handlungsbedarf gleichermaßen an.

1. Fashion Transparency Index 2023 Aufsteiger: Der Luxussektor

Der Luxussektor, der in Sachen Transparenz lange hinter dem Einzelhandel und der Sportbekleidung zurückblieb, verzeichnet dieses Jahr große Fortschritte. Ein Anstieg in der Teilnahme von Premiummarken demonstriert ihren Willen, offenzulegen, von wem und wo Kleidung hergestellt wird. Tatsächlich sind die fünf größten Aufsteiger des Jahres, also die Marken, die ihre Performance am stärksten verbessern konnten, allesamt Luxusmarken: Gucci, Armani, Jil Sander, Miu Miu und Prada. Mit einer durchschnittlichen Punktzahl von 80 % (+ 21 % seit 2022) positioniert sich Gucci sogar als erste Luxusmarke unter den Top 2 des Index.

Als besonders ermutigend gilt jedoch die Entwicklung von Jil Sander. Da der Brand zuvor durchgehend 0 Punkte erreichte, motiviert und ermutigt diese Unternehmen, die aktuell schlechte Ergebnisse erzielen.

2. Rückverfolgbarkeit der Lieferkette

Erstmals haben mehr als die Hälfte (52 %) der großen Marken ihre First Tier Supplier, also eine Liste der direkten Lieferant:innen, Produktionsstätten, oder -partner:innen, offengelegt. Das bedeutet einen Anstieg von 20 % im Vergleich zu 2017 als nur 32 % der Brands ihre Lieferantenlisten enthüllten.

Diese Verbesserung steht jedoch einer eher ernüchternden durchschnittlichen Gesamtpunktzahl gegenüber. Fast die Hälfte der Marken (45 %) teilte nur wenig bis gar nichts über die Rückverfolgbarkeit ihrer Lieferkette mit. Fashion Revolution deutet diesen Mangel an Transparenz als bewusste Taktik, um den Status quo beizubehalten. Schließlich können nur Praktiken und Auswirkungen, die sichtbar sind, zur Verantwortung oder sogar Rechenschaft gezogen werden.

3. Steuer- und Einkaufspraktiken

Der Fashion Transparency Index weist darauf hin, dass der Status quo im Bereich Compliance für Modemarken lange darin bestand, die direkte Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt auf die Zulieferer:innen abzuwälzen. Sie distanzierten sich von den Problemen der Lieferkette oder verschleierten ihre direkte Rolle bei der Förderung von Missständen. Diese Struktur befindet sich seit der Covid-19-Pandemie im Umbruch. Mit einem gesteigerten Bewusstsein für Achtsamkeit und Nachhaltigkeit, hat sich auch der Druck auf Marken intensiviert, Verantwortung für die von ihnen verursachten Auswirkungen zu übernehmen.

Allerdings scheint diese Entwicklung noch nicht genug Wirkung zu entfalten. Nur 12 % der Marken veröffentlichen einen Verhaltenskodex für einen verantwortungsvollen Einkauf. Darunter befindet sich sogar nur eine, Zeeman, die eine Standardvorlage für Vereinbarungen veröffentlicht. Zudem geben nur 4 % der Marken die Anzahl der Aufträge an, bei denen rückwirkende Änderungen an den zuvor vereinbarten Zahlungsbedingungen vornehmen.

Darüber hinaus veröffentlicht weniger als die Hälfte der Marken (45 %) eine verantwortungsbewusste Steuerstrategie. Dass große Marken Steuerparadiese und -schlupflöcher nutzen, um ihre Gewinne zu maximieren oder Vorschriften gegen Zwangsarbeit zu umgehen, ist erschreckend. Aber üblich. Damit wird die Einführung eines gerechten Steuersystems nicht nur wichtig, sondern hinreichend. Dieses muss derzeitige Missstände beseitigen und sicherstellen, dass multinationale Unternehmen in den Ländern, in denen sie tätig sind, ihren Anteil zahlen, um die wachsenden Ungleichheiten zwischen und innerhalb der Länder zu beheben.

Parallel steigt das Lohngefälle zwischen den CEOs der Modebranche und den Menschen, die die Kleidung herstellen. Während 26 % der Marken offenlegen, ob die Vergütung der Führungskräfte an Menschenrechts- und Umweltziele gebunden ist, geben nur 18 % der Marken den prozentualen Anteil des Bonus oder der Vergütung der Führungskräfte an, der an diese Ziele gebunden ist.

4. Abfall und Überproduktion

Tausende Tonnen Modeabfälle verschmutzen verschiedene Ökosysteme und sind mittlerweile sogar vom Weltraum aus sichtbar. Und trotz bevorstehender - notwendiger - Gesetzgebung zur Eindämmung dieses Abfalls, legen 88 % der Modemarken ihre jährlichen Produktionsmengen immer noch nicht offen. Mutmaßlich, um das Ausmaß und die Wahrheit über ihre Überproduktion zu verschleiern.

Dieses Jahr prüfte der Index zum ersten Mal, ob Marken sich zu "Degrowth" verpflichten. Das Bestreben, durch eine geplante Verringerung der Produktion und des Verbrauchs neuer Kleidung ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaft und den planetarischen Grenzen herzustellen. Das Fazit: Nur zwei der 250 Marken, Armani und United Colours of Benetton, verfolgen Degrowth. Demgegenüber verpflichten sich 99 % der Marken nicht, die Anzahl der von ihnen produzierten neuen Artikel zu reduzieren.

5. Wasser- und Chemikalienmanagement

Als einer der wasserintensivsten Industrien gehört die Modebranche zu den Hauptverursachern der globalen Wasserverschmutzung. Bei der Herstellung werden mehr als 8.000 synthetische Chemikalien verwendet. Umso bedenklicher, dass der diesjährige Index ergab, dass nur 7 % der großen Modemarken die Ergebnisse der Abwassertests ihrer Lieferant:innen veröffentlichen.

Darüber hinaus sind viele der größten Produktionsregionen mit erheblichen Wasserrisiken konfrontiert. Darunter Wasserverfügbarkeit, Überschwemmungen, Verschmutzung oder Lücken in der Wasserregulierung und -planung. Diese Risiken werden angesichts der Klimakrise zunehmen und durch die negativen Auswirkungen von Textilabfällen auf Mülldeponien ergänzt. Trotz dieser inakzeptablen Arbeitsbedingungen legen nur 23 % der Marken ihre Methoden zur Ermittlung wasserbezogener Risiken offen.

Angesichts der Notwendigkeit, den Wasserstress innerhalb der Mode-Lieferketten anzugehen, ist ein Ergebnis des Index besonders kritisch. Modemarken legen dort, wo die Nassverarbeitung oder der Anbau von Fasern wie Baumwolle und Leinen stattfinden, weniger Information über ihren Wasser-Fußabdruck offen. Während 32 % der Marken ihren Wasser-Fußabdruck in ihren eigenen Betrieben veröffentlichen, veröffentlichen nur 24 % den Wasser-Fußabdruck auf der Ebene der Herstellung. Und noch weniger auf der Ebene der Fasern und Rohstoffe (4 %).

6. Materialbeschaffung

51 % der großen Modemarken veröffentlichen Ziele für nachhaltige Materialien. Aber nur 44 % zeigen, was sie als nachhaltig definieren. Zudem stellen nur 42 % die Fortschritte bei der Erreichung dieser Ziele transparent dar.

Darüber hinaus legen nur 29 % der Marken die Aufschlüsselung der jährlich bezogenen Fasern offen. Dadurch ergibt sich kein vollständiges Bild des Fasermixes der Modeindustrie und ihrer kollektiven Umweltauswirkungen. Das heißt, dass nach wie vor Daten zu den tatsächlichen Auswirkungen der einzelnen Materialien fehlen, die zudem je nach Art und Herstellungsort variieren.

Angesichts der bevorstehenden Welle von Rechtsvorschriften zur Regulierung der Modeindustrie sollten Marken ihre Performance in diesem Bereich in den nächsten Jahren kontinuierlich verbessern. Diese Entwicklung ist besonders wichtig, da die größten Umweltauswirkungen der Branche durch die energieintensive Produktion, Aufbereitung und Verarbeitung von Rohstoffen entstehen.

 7. Sorgfaltspflicht

Angesichts der sich abzeichnenden Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht, angeführt von der EU, haben die Modemarken ihre Offenlegung der sozialen und ökologischen Sorgfaltspflicht verstärkt. Laut Index hat sich dadurch die Leistung bei jedem Indikator für die Sorgfaltspflicht in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt im Vergleich zum letzten Jahr verbessert.

Insgesamt stellten mehr Marken als je zuvor (37 %) transparent dar, wie betroffene Stakeholder konsultiert werden, welche Risiken identifiziert werden und welche Schritte unternommen werden, um diese Risiken sowie die Ergebnisse sowohl bei der menschenrechtlichen als auch bei der ökologischen Sorgfaltsprüfung anzugehen. Darüber hinaus legen 68 % der Marken ihre Vorgehensweise bei der Durchführung einer Sorgfaltsprüfung in Bezug auf die Menschenrechte offen. Und 49 % bei der Sorgfaltsprüfung in Bezug auf die Umwelt.

8. Vereinigungsfreiheit und existenzsichernde Löhne

Im Bereich der Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen stellte der Index ein großes Ausmaß an kryptischen Lippenbekenntnissen zu den Rechten der Arbeiter:innen fest. Lediglich 1 % der Marken (3 von 250) legt die Anzahl der Tarifverträge offen, die höhere Löhne als die gesetzlich vorgeschriebenen vorsehen. Und das, obwohl ganze 85 % Richtlinien veröffentlichen, in denen sie ihr Engagement für die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und Tarifverhandlungen auf Ebene der Lieferkette darlegen.

Allerdings teilen nur 39 % der Brands mit, wie sie diese Richtlinien in die Tat umsetzen. Und nur 15 % kommunizieren die Anzahl oder den Prozentsatz der Zulieferbetriebe, die über unabhängige, demokratisch gewählte Gewerkschaften verfügen.

Diese Ergebnisse sind mehr als kritisch, da Tarifverhandlungen das wichtigste und oft einzige Instrument sind, um den Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie zu besseren Bedingungen sowie Löhnen zu verhelfen, die über die nationalen Arbeitsgesetze hinausgehen. Angesichts dessen, dass nur 1 % der Modemarken transparent zeigen konnte, dass die Beschäftigten in ihrer Lieferkette einen existenzsichernden Lohn erhalten, besteht hier dringender Handlungsbedarf.

9. Entwaldung

Die Modeindustrie beschleunigt den Verlust der biologischen Vielfalt durch Abholzung weltweit. Der Amazonas Regenwald befindet sich sogar am Rande des irreversiblen Zusammenbruchs. Und trotzdem haben dieses Jahr nur 12 % der Marken eine zeitlich begrenzte, messbare Verpflichtung zur Vermeidung von Entwaldung veröffentlicht. Das sind 3 % weniger als im letzten Jahr.

Außerdem kommunizieren nur 7 % messbare Fortschritte auf dem Weg zur Abholzungsfreiheit. Keine von ihnen hat eine zeitlich begrenzte Verpflichtung zur Null-Abholzung gemäß dem Fashion Transparency Index.

10. Energie und Klima

Trotz Intensität und Dringlichkeit der Klimakrise legen 94 % der Marken noch immer nicht offen, welche Brennstoffe sie für die Herstellung ihrer Kleidung verwenden. Da der Übergang von der Kohle zu sauberen Energien jedoch essentiell ist, um den Klimawandel einzudämmen, hat der Index in diesem Jahr einen neuen Indikator eingeführt, um die Abhängigkeit von Kohle zu messen. Nur 6 % kommunizierten, wie hoch der Anteil ihrer Lieferkette ist, der mit Kohle betrieben wird. Gleiches gilt dafür, ob offengelegt wurde, welche geografischen Regionen noch von fossilen Brennstoffen abhängig sind.

Der Index lancierte einen weiteren neuen Indikator, um die Anzahl der Marken zu erfassen, die sich zu RE100 verpflichtet haben. Einer globalen Unternehmensinitiative, die sich zu 100 % erneuerbarem Strom verpflichtet. 31 Marken haben sich verpflichtet, darunter Burberry. Während die Luxusmarke das gesamte Unternehmen 100 % erneuerbar versorgen will, konzentrieren sich die meisten allerdings nur auf eigene Geschäftsbereiche statt auf die herstellenden Fabriken.

Zudem legen nur 9 % der großen Modemarken ihre Investitionen in die Dekarbonisierung offen. Dazu gehören Investitionen in Forschung und Entwicklung, aber auch die Unterstützung der Lieferant:innen beim Zugang zu Finanzmitteln. Dadurch sollen diese befähigt werden, die Kosten einer grünen Umstellung, nachhaltigkeitsgebundene Darlehen und Rückbindung an die Lieferkette zu decken.

Fashion Transparency Index: Wake-up Call & Hoffnungsträger für eine positive Entwicklung der Mode

Der Fashion Transparency Index 2023 zeigt, dass es positiven Fortschritt gibt. Dieser muss in Zukunft jedoch noch beschleunigt werden. Verhaltensweisen, wie die Einhaltung des Minimums, dem passiven Warten auf Gesetzgebungen oder gar das Finden deregulierter Schlupflöcher, müssen klar durch proaktive Strategien, die ökologische und soziale Nachhaltigkeit fördern, ersetzt werden. Insbesondere der wachsende Bereich sozialer Ungleichheit sollte mehr als alarmierend wirken. Und dringenden Handlungsbedarf zu Taten werden lassen.

Dennoch zeigen Verbesserungen, zum Beispiel in der Performance des Luxussektors, dass der Index Marken nicht nur dabei hilft, ihre Schwachstellen zu erkennen, sondern auch dazu motiviert, diese anzugehen. Durch umfassende Transparenz bleiben keine Fragen über Umwelt- oder Sozialkosten im Unklaren. Was uns in die Lage versetzt, Marken zur Verantwortung zu ziehen sowie ihre Selbstverpflichtung zu stärken.

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