Widersprüche der Gen Z: Das Fast-Fashion Paradox

Wieso die Gen Z stärker als jede andere Generation für Nachhaltigkeit kämpft und trotzdem am meisten Fast-Fashion konsumiert 

gen z

Autor: Julia

  • Widerspruch 1: Genz Z wollen Qualität und Quantität sowie Exklusivität und Mainstream
  • Widerspruch 2: Als Sustainability Generation süchtig nach Fast-Fashion
  • Widerspruch 3: Stardom und Geld kommen vor ethischen Werten

Confessional oder Educational Spaces

Keine andere Generation fordert mehr nachhaltiges und ethisches Engagement von Marken als die Generation Z. Die sie sich in den nächsten Jahren zu der stärksten Käufergruppe entwickeln soll, liegen hohe Erwartungen in ihrer Rolle als Motor einer positiven Entwicklung der Modebranche. Vielleicht ist diese hoffnungsvolle Ansicht allerdings zu eindimensional. Immerhin ist die Kohorte nicht nur mit der steigenden Bedrohung des Klimawandels, sondern auch mit dem Boom von Fast Fashion und Social Media aufgewachsen.

Daraus resultiert ein historisch einmaliger Druck: Die Gen Z möchte wöchentlich neue Trends bedienen und steht deshalb an der Spitze des Konsums von Fast-Fashion. Ein krasser Widerspruch zu ihrem nachhaltigen Mindset. Wofür steht die Gen Z also genau? Wie kompatibel sind ihr Konsumverhalten und ihr Bestreben für einen gesunden Planeten? Und wie können Confessional und Education Spaces einen Ausweg bieten?

Gen Z: Die Sustainability Generation

Dass die Gen Z als besonders bewusst gilt, ist kein Wunder: Jede Kohorte wird in ihren Verhaltensweisen von global entscheidenden Ereignissen beeinflusst. Ereignissen wie dem Einschlag von Covid-19. So hat die Pandemie der Gen Z nicht nur gezeigt, dass es möglich ist weniger zu produzieren und zu konsumieren, sondern auch wie positiv sich dieser Verzicht auf die Umwelt auswirkt. Das heißt nicht, dass Corona die Green Revolution ausgelöst hat - allerdings definitiv, dass es sie beschleunigt hat. Und genau deshalb soll die Gen Z jetzt die Spielregeln der Fashion-Industrie neu schreiben und bewussten Konsum als New Normal etablieren.

Zumindest laut Studienlage. Die The State of Consumer Spending Umfrage von First Insight hat ergeben, dass Verbraucher*innen der Generation Z nachhaltige Geschäftsmodelle fordern. Sie bevorzugen es nachhaltige Marken zu kaufen und würden sogar 10% mehr dafür ausgeben. Außerdem verlangen 75% die Sicherheit von Arbeitskräften und Konsument*innen. Was bedeutet, dass faire Arbeitsbedingungen sowie non-toxische und somit gesundheitsfreundliche Materialien Standard sein müssen.

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Die Generation Z soll zudem den Luxusmarkt von morgen dominieren, den Dialog und emotionale Verbindungen mit exklusiven Marken suchen sowie soziale Verantwortung von ihnen fordern. Doch genau hier setzen die Widersprüche ein. Während die Gen Z das Luxussegment zukunftsweisend beeinflusst und zu seiner entscheidenden Zielgruppe avanciert, ist sie gleichzeitig Hauptzielgruppe der Fast-Fashion Giganten. Es geht also nicht um Qualität statt Quantität und Exklusivität statt Mainstream, sondern um Qualität und Quantität sowie Exklusivität und Mainstream.

An der Schnittstelle von Verantwortung und Versuchung

Das Bild: Billige Trendware, die mit nachhaltigen Luxusprodukten aufgestylt wird. SHEIN meets Stella McCartney? Auf keinen Fall. Wer mit seinen Kaufentscheidungen CO2 Emissionen kompensieren möchte, muss sich notwendigerweise auch damit auseinandersetzen, dass andere Pieces der eigenen Kollektion Menschenrechte im globalen Süden verletzten könnten. Und trotzdem decken immer mehr Studien auf, dass die Generation Z in großem Stil bei Mainstream-Anbietern wie Amazon, SHEIN oder Fashion Nova einkauft. Anbietern, die sowohl in Sachen Nachhaltigkeit als auch in Sachen Ethik zu hinterfragen sind.

Der kürzlich veröffentliche Gen Z Fashion Report der Vintage Plattform thredUP hat festgestellt, dass sich 1/3 der Befragten als süchtig nach Fast-Fashion bezeichnen und 72% die trendbezogene Mode im letzten Jahr gekauft haben. Ein möglicher Grund dafür: Das Medienverhalten der Generation. Rund 40% gaben an, dass sie mindestens ein Mal am Tag Fast-Fashion Websites oder Apps browsen, während 50% wöchentlich oder sogar öfter Haul-Videos auf Social Media angucken.

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Source & Copyright by thredUP

Aber: Gleichzeitig zeigt der Report, dass die Generation den Konsum von Fast-Fashion durch nachhaltigere Gewohnheiten ersetzen will. Während 45% angaben, dass es ihnen schwer fällt der Fast-Fashion Versuchung zu widerstehen, wollen 51% ihren Konsum einstellen oder zumindest reduzieren. Zudem wollen 65% nachhaltiger sowie qualitativ hochwertiger shoppen. Und zwar, weil die Gen Z sich durchaus bewusst ist, wie schädlich die Überproduktion von Fast-Fashion für den Planeten ist. Umso wichtiger zu betrachten, wieso die Kohorte trotzdem noch viel zu viel Fast-Fashion konsumiert und Gewissensbisse willentlich für vergängliche sowie umweltschädliche Trenderscheinungen in Kauf nimmt.

Das "Fast-Fashion Paradox" der Gen Z

2020 haben die Forscher Malthe Overgaard und Nikolas Rønholt diesen Widerspruch zwischen nachhaltigem Bewusstsein und Fast-Fashion Konsum unter dem Titel "The Fast Fashion Paradox" untersucht. Verantwortlich für das Paradoxon soll im weiteren Sinne die Digitalisierung sein. Im engeren der Haupt-Informationskanal der Gen Z: Die sozialen Medien. Und damit einhergehend der soziale Druck Trends zu befolgen sowie der dadurch befeuerte Drang zur Selbstdarstellung. Fast-Fashion Brands nutzen Social Media nämlich als Plattform, um aggressive Marketingkampagnen zu verbreiten und täglich neue Trends zu setzen. Undurchschaubare Algorithmen vermitteln zudem das Bild, als seien diese omnipräsent. Ihre Umsetzung ein Must-Do, um dazuzugehören oder Jemand zu sein.

Allein SHEIN, die wohl umweltschädlichste und doch wachstumsstärkste Fast-Fashion Marke, lanciert laut BoF bis zu 3.000 neue Styles pro Tag und vermarktet diese gezielt über Social Media wie Instagram oder TikTok an die Generation Z. Ein besonders beliebtes Tool: Influencer-Marketing. Die Celebrities der Gen Z sind weder aus Hollywood noch unerreichbar. Vielmehr entsteht Stardom heute oft im eigenen Kinderzimmer und wird durch vermeintliche Nähe und Identifikation gewonnen. So bewegen Influencer sich an der Schnittstelle von Celebrity und Freund*innen, weshalb ihr Lifestyle nicht nur erstrebenswert, sondern auch erreichbar wirkt. Ihr Wort gilt zudem als Qualitätsversprechen. Das Ergebnis: Durch Influencer-Marketing gilt Fast-Fashion als Repräsentation eines exklusiven Lifestyles sowie als Eintrittskarte in eine exklusive Community.

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Source & Copyright by thredUP

Zu hinterfragen ist damit klar, wieso Influencer*innen ihre Marke auf diese Art und Weise repräsentieren. Immerhin steigt die mediale Kritik an Fast-Fashion enorm. Was früher oder später schlechte Publicity für kollaborierende Influencer*innen bedeutet. Allerdings überwiegt hier - wie so oft - das Kostenargument: Giganten wie SHEIN verfügen über horrende Marketingbudgets und Ressourcen zur Kundengewinnung. Ressourcen, von denen nachhaltige Marken bis dato oft nur träumen können.

Wieso Greenwashing und Wokewashing keine Ausrede mehr sein dürfen

  1. Was auffällig ist: Immer mehr Fast-Fashion Brands scheinen das nachhaltige Mindset der Gen Z zu erkennen. Deshalb versuchen sie den Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und Fast-Fashion in ein Zusammenspiel umzukehren. So lancieren sie immer mehr "Conscious" oder "Sustainable" Collections, die einen minimalen Anteil an recycelten Textilien zur nachhaltigen Höchstleistung glorifizieren. Bei etwas genauerer Betrachtung wird deshalb schnell klar, dass es sich um leere Worte und Greenwashing statt aufrichtigen Fortschritt handelt.
  2. Das gleiche gilt für Diversity: Die Markenbotschafter und Werbeplakate der Brands stehen klar für Inklusion, strahlen Zugehörigkeit und Positivity für jede Diversitätsdimension aus. So weit, so gut - Repräsentation matters. Jedoch besteht auch hier das Problem, dass viele Fast-Fashion Marken intern keine hinreichenden Strukturen schaffen, um alle Menschen gleich zu behandeln sowie zu ermächtigen. Angefangen bei der Reproduktion struktureller Missstände wie der Ausbeutung von Arbeitskräften im globalen Süden. Stichwort Wokewashing.
  3. Eine entscheidende Frage: Ist die Gen Z nicht eigentlich zu "woke", um in die Greenwashing- oder Wokewashing-Falle zu tappen? Schließlich besteht Bewusstsein dafür, was Nachhaltigkeit und Ethik bedeuten sowie dafür, dass Fast-Fashion Brands diesen Kriterien oft nicht gerecht werden. Wo keine Transparenz besteht, haben Marken meist etwas zu verbergen.

Wieso Nachhaltigkeit mehr Schlagkraft bei Konsumentscheidungen braucht

Außerdem werden Größen- und Preiszugänglichkeit oft als Grund für den Konsum von Fast-Fashion genannt. Das Argument der Größenzugänglichkeit lässt sich jedoch leicht entkräften: Immer mehr Eco-Brands wie Reformation sind size-inclusive und viele Made2Order-Marken ermöglichen Menschen jeder Form Kleidungsstücke nach Maß.

In Sachen Preis wird es in Bezug auf die Gen Z etwas komplizierter. Die ECC Club Studie 2022: Future Needs der Generation Z hat festgestellt, dass 72 Prozent der Befragten mehr Wert auf den Preis als auf die Nachhaltigkeit eines Produktes legen. Zudem glauben 1/3, dass nachhaltiger Konsum nur in Verbindung mit Abstrichen möglich ist. Eine mögliche Erklärung für dieses Meinungsbild ist der Zeitgeist. Die Gen Z ist stärker als jede andere Generation mit dem vermeintlichen Privileg aufgewachsen so billig, schnell und viel zu konsumieren wie sie nur können. Und wollen sich rein aus Gründen der Gewohnheit und Selbstverständlichkeit nicht davon trennen.

Letztendlich geht es um das Problem der Definition von Wert. Es scheint als würde die Gen Z - zumindest in Teilen - den Wert eines Fast-Fashion Produktes lediglich monetär sehen. Und dabei vergessen, wie hoch der Preis ist, den die Arbeitskräfte sowie die Umwelt zahlen. Dazu wird nachhaltige Mode oft mit Opportunitätskosten wie einem erhöhten Suchaufwand verbunden. Was es also braucht, ist ein Umdenken. Der Wert eines Kleidungsstückes sollte sich nicht an seiner Trendgerechtigkeit messen lassen, sondern an seinen Values. Zeitlosigkeit, Langlebigkeit, Nachhaltigkeit und Ethik.

What's next: Bewusstsein für und gegen den Widerspruch

Obwohl die toxische Beziehung der Gen Z zu Fast-Fashion besorgniserregend ist, besteht Hoffnung: Wie der Gen Z Fashion Report von thredUP  gezeigt hat, will die Generation mit ihren schlechten Gewohnheiten brechen. Und genau deshalb hat die Plattform eine "Fast-Fashion Confessional Hotline" - quasi eine Telefonberatung - zur Unterstützung von Gen Z-Käufer:innen lanciert. Damit will sie die Generation mit einer einzigartigen Ressource ausstatten, um sie von Fast-Fashion abzubringen sowie an nachhaltige Einkaufsgewohnheiten heranzuführen. Wer die Nummer 1-855-THREDUP wählt, kann seine Fast-Fashion Sünden beichten. Dem wird allerdings nicht mit Verurteilung, sondern Verständnis, einer Beratung und einem Educational Service zu den Umweltauswirkungen von Fast-Fashion sowie nachhaltigen Modealternativen begegnet. Extraplus: Die Anrufer*innen können direkt auf eine sorgfältig kuratierte Auswahl von Secondhand-Pieces zugreifen.

Initiativen wie diese sind definitiv ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und ein Denkanstoß. Immerhin scheinen die sozialen Medien zumindest in großen Teilen Ursprung des Fast-Fashion Paradox zu sein. Entsprechend ist es produktiv Confessional oder Educational Spaces wie die Hotline von thredUP auf Social Media zu erweitern und auf diese Weise Orte zu schaffen, an denen die Gen Z ihr Bewusstsein im Rahmen ihrer Community schärfen kann. Soziale Anerkennung für ein nachhaltiges Mindset statt ein vergängliches Trendselfie. Im Kern geht es also darum noch mehr kundenorientierte Angebote zu schaffen, um das theoretisch vorhandene Bewusstsein in die Praxis zu übertragen. Da Marken letztendlich an Profit orientiert sind, werden sie erst dann etwas verbessern, wenn Konsument*innen ihre Ansprüche verändern.

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