Stop Plastic-Pain – Mit plastikneutralen Produkten für eine saubere Natur

Alles was man über Plastic-Waste wissen muss - Von Müllverbrennung über Biokunststoffe bis hin zu Recyclingquoten

Im Interview mit Martin Hinteregger, Gründer Waste Reduction

WasteReduction

Autor: Haus von Eden

Das Abfallthema ist facettenreich und entgegen der Annahme vieler Menschen eher ein Problem des globalen Südens. Das Start-up WasteReduction möchte daher das Problem direkt in den betroffenen Entwicklungsländern anpacken. Das Unternehmen adressiert dabei den sogenannten Plastic-Pain, eine Situation, der Verbraucher*innen im Einzelhandel oft begegnen, und ein Gefühl, das die Machtlosigkeit gegenüber Plastikmüll und der globalen Umweltverschmutzung beschreibt. Genau dieses Gefühl hatten die Gründer auf Reisen erlebt, als sie mit eigenen Augen sehen mussten, wie Familien zwischen Müll leben und Flüsse Müllkippen gleichen.

Um der Plastikkrise zu begegnen, ermöglichen Ruth Kranenberg und Martin Hinteregger es Unternehmen daher nun ihre Produkte und Verpackungen plastikneutral anzubieten. Wie das funktioniert, erzählt uns Co-Founder Martin Hinteregger. Er erklärt auch, warum seiner Ansicht nach Plastikvermeidung nicht allein die Lösung ist, warum Recycling-Müll oft verbrannt wird, was hinter Biokunststoffen steckt und warum der Einsatz von Plastik in der Textilindustrie besonders gefährlich ist.

 Wastereduction Founder

Founder WasteReduction, Ruth Kranenberg und Martin Hinteregger

Waste ist ein Problem, aber wo genau liegt das Plastikproblem?

Das Problem muss man von zwei Seiten betrachten: Zunächst einmal ist das Problem primär in den Ländern, die kein funktionierendes Abfallmanagement haben. Zum Beispiel ist Südostasien davon stark betroffen, was dazu führt, dass dort weltweit der größte Teil der Plastikabfälle ins Meer gelangt. Vor allem in der Monsunzeit befördert der Starkregen den leichten Plastikmüll in die Flüsse. Das heißt, dass es in solchen Ländern sehr viel Sinn macht, Kunststoff zu vermeiden.

Das Problem in der DACH-Region sieht ganz anders aus. Denn wir haben hier ein sehr gut funktionierendes Abfallmanagement. In Deutschland haben wir eine Sammelquote von 98%. Somit ist Deutschland nicht direkt dafür verantwortlich, dass Plastik in die Meere gelangt. Vor Kurzem gab es aber noch die Problematik, dass die europäischen Länder sehr viel Müll exportiert haben. Andere Länder haben dies als lukrativen Wirtschaftszweig entdeckt. Seit letztem Jahr gibt es wesentlich strenger Müllexportgesetze, die das Problem eindämmen.

WasteReduction hilft der Natur mit plastikneutralen Produkten, was genau macht Ihr?

Mit der Plastikkompensation ermöglichen wir es Unternehmen und Konsument*innen etwas gegen die Plastikkrise zu tun. Indem wir mit jedem plastikneutralen Produkt die Natur vor derselben Menge an Plastikmüll beschützen. Unsere Definition von platikneutral lautet also: Teilnehmende Unternehmen liefern WasteReduction eine Zahlung für eine Kompensationsmenge an Plastik und wir gewährleisten, dass wir diese Menge an anderem Plastikmüll für die Natur ausgleichen. Der Ausgleich passiert durch eine Vielzahl an Projekten – vom Clean-up am philippinischen Strand bis hin zu neuer Müllinfrastruktur in Indonesien, Nepal oder Albanien.

wastereduction clean-up

Source & Copyright by WasteReduction

Um eine Verbesserung der Müllsituation auch in Deutschland herbeizuführen, muss sich im Bewusstsein und Verhalten vieler Menschen etwas ändern. Deshalb betreiben wir mit WasteReduction zusätzlich Bildung und Aufklärung mit Kindern zu Plastik und Naturschutz. Für ein besseres Material in der Zukunft finanzieren wir Forschung & Innovationsprojekte. Im Gegenzug zur Kompensation bekommen die Unternehmen unser plastikneutral+ Label für ihre kompensierten Produkte. Das + beschreibt, dass wir wesentlich mehr machen als einen reinen Ausgleich. Es geht uns darum, das Problem hier und in Entwicklungsländern richtig anzugehen.

Warum verwenden wir nicht einfach Glas oder Papier?

Weil Kunststoff in der Ökobilanz oft besser abschneidet als Alternativen wie Glas oder Papier. Kunststoff hat das Potential, viel CO2e einzusparen.Vielen ist nicht bewusst, dass eine Papier- oder Baumwolltasche eine wesentlich schlechtere Ökobilanz als eine Plastiktasche hat. Eine Papiertasche muss man 4mal verwenden, um den CO2-Fußabdruck einer Plastiktasche zu erzielen. Bei einer Baumwolltasche sind es 70 mal, ohne diese zu waschen.

Der Grund für die schlechtere Ökobilanz von Papier liegt in der Herstellung. Für die Herstellung von Papier müssen Zellulosefasern aufgeweicht werden und dann muss die Feuchtigkeit wieder raus. Das wird zu einem großen Teil thermisch gemacht und verbraucht sehr viel Energie. Bedeutet, dass neben jeder Papierfabrik eigentlich ein halbes Kraftwerk stehen muss. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um neues oder recyceltes Papier handelt. Hinzu kommt, dass Papier und Glas viel schwerer sind als Kunststoff, was den Transport erschwert.

Und deswegen ergibt es in ganz vielen Anwendungen überhaupt keinen Sinn, auf Kunststoff zu verzichten. Kunststoff zu nutzen ist meistens umweltfreundlicher, sobald größere Transportwege entstehen. Vor allem in Regionen mit einem guten Abfallmanagement-System. Häufig ist es ökologisch sinnvoller, bei Einwegverpackungen recycelte und vor allem recycelbare Kunststoffe zu verwenden und diese zu kompensieren.

plastic waste WasteReduction

Source & Copyright by WasteReduction

Warum sind Biokunststoffe keine Alternative zu erdölbasiertem Plastik?

Zunächst muss man aufpassen, dass man nicht nur das Rohmaterial betrachtet, sondern den gesamten Lebenszyklus eines Produktes. Für viele Kunststoff-Alternativen werden zwar nachwachsende Rohstoffe aus der Natur eingesetzt, aber meist wird bei der Verarbeitung oder dem Transport viel mehr Energie benötigt. Der elektrische Strom kommt aus einem Energiemix und dieser beinhaltet aktuell fossile Brennstoffe. In Deutschland liegt dieser Anteil bei rund 50%. Das heißt, es werden Kohle, Gas und Öl verheizt oder Nuklearenergie aufgewendet, um Glas oder Papier herzustellen, zu recyceln oder zu transportieren. Wir können daher erst Kunststoff verbannen, wenn wir die Energiewende geschafft haben.

Biokunststoff sind oftmals eine große Täuschung von Verbraucher*innen. Es gibt einerseits biobasierte Kunststoffe und zum anderen biologisch abbaubare Kunststoffe. Dabei reicht ein sehr kleiner Teil an biobasiertem Material aus, um einen Kunststoff als „Biokunststoff“ bewerben zu dürfen. Anstatt Erdöl kommt hierbei oftmals Stärke zum Einsatz, der häufig aus Kartoffeln oder Mais gewonnen wird. Das heißt, um erdölbasierte Kunststoffe zu vermeiden, benötigen wir Agrarflächen, die wir allerdings für die Lebensmittelproduktion brauchen und die sowieso schon viel zu knapp sind.

Zudem sind die Zersetzungszeiten von biologisch abbaubaren Kunststoffen zu lang für die industrielle Kompostierung. Daher landen sie am Ende in der Verbrennung. Entgegen der weit verbreiteten Meinung wird für Kunststoff außerdem garnicht so viel Erdöl benötigt. In Europa entfallen nur 1,5% des Erdölbedarfs auf die Kunststoffproduktion im Verpackungsbereich. Rund 31% entfallen auf den Transport inkl. Personenverkehr. Diese Größenverhältnisse sind total absurd.

plastikneutral label WasteReduction

Source & Copyright by WasteReduction

Stimmt es, dass unser Recycling-Müll größtenteils in der Verbrennungsanlage landet?

Ja, das stimmt. Das liegt hauptsächlich an der Vielzahl verschiedener Kunststoffe. Viele Kunststoffe sehen vielleicht ähnlich aus, aber durch viele unsichtbare Additive ist die Rezeptur doch sehr unterschiedlich. Das führt dazu, dass man beim Einschmelzen verschiedener Kunststoffteile nicht wieder die gleichen Eigenschaften erzielen kann. Diese Additive sind aber sehr nützlich in der Anwendung und bewirken zum Beispiel die antistatische Eigenschaft einer Handyhülle. Die Herausforderung beim Kunststoffrecycling liegt also in der Diversität des Werkstoffes. Außerdem sind Lebensmittelreste Störstoffe beim Einschmelzen, die den Recycling-Prozess aufwendiger und dadurch teuer machen.

Das alles führt dazu, dass Recyceln mehr kostet, als neuen Kunststoff zu verwenden. Dazu kommt der Aspekt der Qualitätsverschlechterung, was das recycelte Plastik in der Weiterverarbeitung unattraktiv macht. In Deutschland werden ca. 50% des Kunststoffmülls verbrannt. Es gibt aber zukünftig strengere Recycling-Vorgaben in der EU. Wir können alle dabei helfen die Recyclingquote zu steigern, indem wir die Verpackungen vorsortieren. Das bedeutet den Aludeckel vom Joghurt vollständig abzulösen oder den Deckel vom Getränkekarton abzuschrauben.

In welchen Bereichen ist Plastik unverzichtbar und wo sollte man es unbedingt meiden?

Plastik ist steril und elastisch, weshalb es im medizinischen Bereich schwer zu ersetzen ist. Zum Beispiel bei medizinischen Masken, Handschuhen oder Schutzanzügen. Zum anderen bietet Kunststoff bestimmte Barriereeigenschaften, die Produkte besonders gut schützen. Besonders wichtig ist das bei Medikamenten und Lebensmitteln. Es macht Produkte länger haltbar und führt zu weniger Lebensmittelverschwendung. Rund 40% der Kunststoffe in Europa werden tatsächlich für Verpackungen genutzt. Das ist der größte Bereich. Rund 20% kommen in der Bauindustrie zum Einsatz. Da geht es oft um Gebäudeisolierung und das ist dann wiederum klimaschonend.

Knapp 12% werden von der Textilindustrie verbraucht. Das sehe ich persönlich sehr kritisch. Denn erstens lösen sich bei der Verarbeitung sowie beim Tragen Mikrofasern, die eingeatmet werden können und wahrscheinlich sehr gesundheitsschädigend sind. Das Ausmaß ist derzeit noch nicht vollständig bekannt, doch führt es bei den Näherinnen nachgewiesen zu einer stark erhöhten Krebsrate. Zweitens lösen sich beim Waschen Plastikfasern und das führt zu einem gewaltigen Mikroplastikeintrag in die Umwelt, da Kläranlagen diese nicht herausfiltern können. Allein in Deutschland gelangen über das Abwasser bzw. den Klärschlamm rund 9000 Tonnen Mikrofasern pro Jahr auf deutsche Äcker. Das ist sehr bedenklich.

Wer Interesse hat sein Wissen über Waste zu testen oder Näheres über die Kompensations-Projekte zu erfahren, kann hier sein Knowledge erweitern.

Vielen Dank für das Interview Martin

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