Fabrics of the Future: Nachhaltige Material-Innovationen liefern Stoff für die Zukunft

Textile Trailblazer: Wir verraten, warum nachhaltige Material-Innovationen das Potenzial haben, die Modebranche zu revolutionieren – und welche Herausforderungen auf dem Weg noch zu meistern sind

Nachhaltige Material-Innovationen
Source & Copyright by Ganni

Autor: Haus von Eden

Aus welchen Stoffen besteht die Mode von morgen? Innovative, nachhaltige Materialien haben das Zeug, die Art und Weise, wie wir Kleidung herstellen und konsumieren, grundlegend zu verändern. Immerhin ist die Materialauswahl entscheidend für den Nachhaltigkeitsfaktor eines Kleidungsstücks. So zeigt der Bericht "Fashion on Climate" der Unternehmensberatung McKinsey, dass allein 38% der Emissionen der Modeindustrie bei der Faserproduktion entstehen und weitere 29 % beim Spinnen von Garn sowie bei Produktion der Textilien. Diese Zahlen machen klar: Eine nachhaltige Transformation der Modeindustrie muss bei den verwendeten Materialien ansetzen. Glücklicherweise gibt es vielversprechende Ansätze. Diverse wissenschaftliche und wirtschaftliche Player arbeiten bereits fieberhaft an der Entwicklung umweltfreundlicher Alternativen zu konventionellen Fasern.

Von Lederimitaten aus Oliven bis hin zum Kunstpelz aus Brennnessel – die Bandbreite der Innovationen ist groß. Doch der Weg von der Laborentwicklung zum massentauglichen Produkt ist oft lang und steinig. Im Folgenden werfen wir einen detaillierten Blick auf einige der vielversprechendsten nachhaltigen Materialinnovationen und beleuchten ihre Eigenschaften und Potenziale. Wir zeigen außerdem, mit welchen Herausforderungen die Hersteller der ökologischen Stoffe konfrontiert sind.

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Vielversprechende Ansätze: Von Pflanzenfasern bis Recycling-Textilien

Die Suche nach nachhaltigen Alternativen zu konventionellen Textilfasern hat in den letzten Jahren zu einer Vielzahl an Innovationen geführt. Unter anderem versprechen diese neuen Materialien eine deutliche Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks:

  • Savian by BioFluff: Ein Pelzersatz aus natürlichen Pflanzenfasern wie Brennnessel, Hanf und Flachs, von denen etwa 50 % aus landwirtschaftlichen Abfallströmen stammen können.
  • Oleatex: Eine Lederalternative, die aus Oliven gewonnen wird.
  • Circulose: Ein innovativer Rohstoff aus recycelten Baumwolltextilien, der für die Produktion neuer Viskose- oder Lyocellfasern genutzt werden kann.
  • Mirum: Eine plastikfreie Alternative zu Leder aus Naturfasern, pflanzlichen Ölen und Mineralien, die vollständig biologisch abbaubar ist.
  • Ecovero: Eine nachhaltigere Viskose-Variante mit 50% geringerem ökologischem Fußabdruck im Vergleich zu herkömmlicher Viskose.
  • Piñatex: Diese innovative Lederalternative wird aus Ananasblattfasern hergestellt, einem Nebenprodukt der Ananasernte.
  • Myzelium: Pilzmyzelien werden zur Herstellung von diesem lederähnlichen Material verwendet.
  • InResST: Ein neuartiges Material, das vollständig aus recyceltem Nylon besteht, welches aus Geisternetzen, mit denen die Tiefseefischerei die Meere verschmutzt, gefertigt wird.

Fashion-Brands als Wegbereiter für nachhaltige Material-Innovationen

Auf dem Weg zu neuen, ökologischen Textilien treiben innovative Brands den Wandel voran. So gehört zum Beispiel Stella McCartney zu den Marken, die früh mit textilen Innovationen arbeiten. Bei der letztjährigen COP28, der UN-Klimakonferenz in Dubai, rief das Label sogar einen "Sustainable Market" ins Leben, um nachhaltige Material-Neuheiten vorzustellen. Dazu zählten unter anderem algenbasiertes Garn von Keel Labs sowie die plastikfreie Kunstleder-Alternative Mirum.

Ein Vorreiter im Bereich nachhaltiger Material-Innovationen ist auch das dänische Label Ganni. Im Rahmen ihrer "Fabrics of the Future"-Initiative setzt sich die Marke aktiv dafür ein, innovative und umweltfreundliche Textilien zu erforschen, zu entwickeln und in die Produktion zu integrieren. Ziel ist es, Alternativen zu herkömmlichen Stoffen zu finden, die nicht nur ökologisch sind, sondern auch den hohen Qualitätsansprüchen der Brand genügen. Dabei integriert Ganni die innovativen Materialien schrittweise in seine Kollektionen. Dafür werden sowohl kleine Capsule Collections als auch einzelne Stücke in größeren Linien mit den neuen Stoffen gefertigt.

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Neue Talente und kreative Textilien

Auch die Förderung von jungen Designer:innen und deren Schulung im Umgang mit den nachhaltigen Material-Innovationen ist Teil des Engagements von Ganni. So zeigte die Brand in diesem Jahr bei der Copenhagen Fashion Week statt einer Modenschau die "Future, Talent ,Fabrics"-Exhibition. Die Ausstellung präsentierte die Kreationen dänischer Nachwuchstalente, gefertigt aus nachhaltigen Materialien, die alle aus Gannis „Fabrics of the Future“-Initiative stammen. Folgende Talente haben gezeigt, dass die Stoffe der Zukunft nicht nur ökologisch sind, sondern auch neue kreative Spielräume eröffnen:

  • Der dänische Designer Nicklas Skovgaard kreierte für die Ausstellung unter dem Namen „Lecia Coat“ einen Mantel mit passender Leggings und Hut aus Savian by BioFluff, Oleatex und Circulose.
  • Die Kopenhagener Designerin Alectra Rothschild zeigte unter dem Titel „A Phone Call With Trixie“ – ein Korsett und eine zerschlissene Denim-Hose aus Oleatex und Circulose.
  • Amalie Røge Hove, Gründerin des Stricklabels A. ROEGE HOVE, präsentierte „ARH Look 01“ aus InResST-Recycling-Nylon, Circulose und recyceltem Wollgarn von Gannis Omega-Spinnerei, wo Garnresten aus den hauseigenen Kollektionen verwertet werden.
  • Textildesignerin Sarah Brunnhuber fertigte ihre Mini-Kollektion unter dem Namen  „Stem Elastic, 100% Wool, Handwoven Edition“ aus übriggebliebenem Wollgarn, entwickelt mit dem Berliner Studio HILO, das innovative Zero-Waste-Webtechniken nutzt.
  • Jens Ole Árnason, Designer und Textilkünstler aus Kopenhagen, erschuf „GreenFutureXSculpture“: ein skulpturales Werk aus bestickten und mit Öl überzogenen Reststoffen von Ganni.
  • Die visuelle Künstlerin Sahar Jamili zeigte die Skulptur „Trapped, 2024“– ein Aluminiumkäfig gefüllt mit Textilabfällen von Ganni. Damit setzte sie ein visuelles Statement gegen dem Überkonsum in der Modewelt.
  • Sisse Bjerre, Absolventin der Swedish School of Textiles, stellte ihr innovatives Werk „Paper Land“ aus Circuluse und Pappmaché vor.

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Diskrepanz zwischen Nachhaltigkeitszielen und Marktrealität

Die ökologische Aufbruchstimmung unter den Designer:innen und Brands scheint groß zu sein, aber die Hersteller haben vermehrt mit Problemen zu kämpfen. Dieses wir am Beispiel der Firma Lenzing deutlich. Das österreichische Unternehmen blickt auf eine lange Tradition in der Herstellung von Holzfasern zurück und hat sich zum reinen Viskose-Produzenten in den letzten Jahrzehnten zu einem Vorreiter für nachhaltige Zellulosefasern entwickelt. Zu den bekanntesten Innovationen gehören:

  1. Tencel/Lyocell: Ressourcenschonend hergestellte Fasern auf Grundlage von nachhaltig gewonnenem Holz
  2. Ecovero: Eine nachhaltigere Viskose-Variante mit 50% geringerem ökologischen Fußabdruck als herkömmliche Viskose
  3. Refibra: Eine Technologie zur Herstellung von Lyocell- und Ecovero-Fasern unter Verwendung von recycelten Baumwollabfällen

Doch der Pioniergeist wurde bisher kaum belohnt. Aufgrund von Lieferengpässen und Problemen bei der Nachfrage musste Lenzing die Produktion von Refibra Lyocell vorübergehend pausieren. Auch das kalifornische Unternehmen Bolt Threads stellte die Herstellung seiner Myzelien-basierten Lederalternative Mylo im vergangenen Jahr ein, obwohl Brands wie Stella McCartney, Adidas und Ganni das Material in ihren Kollektionen verwendeten. Die Insolvenz der schwedischen Firma Re:NewCell im Frühjahr dieses Jahres zeigt, wie groß die Krise ist. Die Firma hatte zuvor tonnenweise Baumwollabfälle aus Deutschland, Schweden und der Schweiz in den Rohstoff Circulose umgewandelt, aus dem wiederum Viskose und Lyocell hergestellt werden konnten. Sogar H&M hielt eine zehnprozentige Beteiligung an Re:NewCell und bot Produkte aus Circulose im Sortiment an. Doch in Wettbewerb konnte sich der Stoff nicht halten. Immerhin war er rund 50 Prozent teurer als herkömmliche Viskose.

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Nachhaltige Material-Innovationen im Spannungsfeld zwischen Umweltbewusstsein und wirtschaftlichen Erwägungen.

Viele Modemarken betonen zwar gerne ihr Engagement für Nachhaltigkeit, doch die Realität sieht oft anders aus. So besteht eine klare Diskrepanz zwischen öffentlichkeitswirksamen Nachhaltigkeitsversprechen und dem tatsächlichen Produktions- und Einkaufsverhalten. Die meisten Brands scheuen noch das finanzielle Risiko, das mit der Umstellung auf innovative Materialien verbunden ist. Stattdessen beschränken sie deren Einsatz auf kleine Capsule-Kollektionen, während im Massengeschäft weiterhin günstige konventionelle Materialien dominieren.

Auch die Verbraucher:innen scheinen noch nicht bereit zu sein, für den Schutz unseres Planeten tiefer ins Portemonnaie zu greifen. Anhaltspunkte dafür liefert der Sustainability Sector Index von Kantar. Der Studie zufolge zeigt sich eine klare Diskrepanz zwischen den Einstellungen und den Kaufentscheidungen der Konsument:innen. Diese Kluft, die als "Value-Action-Gap" bezeichnet wird, beschreibt den Widerspruch zwischen den persönlichen Werten und dem tatsächlichen Handeln. Während jeder zweite Befragte grundsätzlich bereit ist, Produkte von nachhaltigen Marken zu erwerben, bleibt das tatsächliche Kaufverhalten deutlich hinter diesen Absichten zurück. Besonders auffällig ist, dass fast drei Viertel (73%) der Teilnehmenden den vermeintlich höheren Preisen nachhaltiger Produkte kritisch gegenüberstehen. Diese Diskrepanz stellt Modemarken vor ein Dilemma: Sollen sie in teurere nachhaltige Materialien investieren, wenn unklar ist, ob die Kunden dies honorieren? Hier sind kreative Lösungen und eine bessere Skalierbarkeit textiler Innovationen gefragt, um Nachhaltigkeit und Erschwinglichkeit in Einklang zu bringen.

Fazit: Wir haben den Schlüssel zu mehr Sustainability in der Hand

Nachhaltige Material-Innovationen haben das Potenzial, die Modeindustrie zu revolutionieren und den ökologischen Fußabdruck unserer Kleidung wesentlich zu verringern. Von pflanzlichen Kunstfell-Alternativen bis hin zu recycelten Stoffen – die Innovationen sind bereits vorhanden, und sie eröffnen Designer:innen und Konsument:innen die Möglichkeit, bewusstere Entscheidungen zu treffen. Doch um diese Materialien raus aus der Nische zu holen und sie zu alltagstauglichen Alternativen zu machen, ist ein Umdenken auf Seiten der Mode-Brands und Verbraucher:innen notwendig. An den technischen Möglichkeiten scheitert die Umsetzung einer nachhaltigere Modeindustrie nicht. Vielmehr gilt es nun, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die textilen Innovationen auch für alle Seiten wirtschaftlich attraktiv zu machen.

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