“Den Tipp, den wir immer geben, ist dass man es sich garnicht leisten kann, nicht in Nachhaltigkeit zu investieren, da es eine zukunftsorientierte, strategische Entscheidung ist.”
Interview mit Lara Obst, Co-Founderin und Chief Climate Officer von Climate Choice
Quelle & Copyright by The Climate Choice
Autor: Haus von Eden
Das Start-Up The Climate Choice hilft Unternehmen dabei ihren eigenen Klimareifegrad zu erfassen und nachhaltige Lösungen für eine erfolgreiche Klimatransformation zu finden. Eigens dafür haben die drei Gründer eine Software entwickelt, die Unternehmen einem Climate Readiness Check unterzieht. Daraus ergeben sich Handlungsempfehlungen über neun Impact-Kategorien. Von nachhaltigem Strom, über Mobilität, bis hin zu industriespezifischen Technologien. Was sich genau dahinter verbirgt, erklärt uns Co-Founderin und Chief Climate Officer Lara Obst.
Lara Obst, Co-Founderin The Climate Choice
The Climate Choice legt den Fokus auf Unternehmen, sind diese die treibende Kraft der Klimatransformation?
Mit Blick auf die Klimaforschung sehen wir, dass nur noch wenig Zeit bleibt, um das 1,5-Grad -Ziel durch echte CO2-Reduktionen zu erreichen. Hier haben aus meiner Sicht die Unternehmen den direktesten und größten Hebel. Direkt, weil sie bei sich selbst ansetzen, bis in die Lieferkette gehen, und dann Emissionen unmittelbar reduzieren können. Womit ich jedoch nicht sagen will, dass die Politik nicht auch dazugehört. Ich glaube, es braucht immer den Dreiklang aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Aber die Unternehmen haben auf jeden Fall die Chance als großer Treiber voranzugehen, indem sie bei sich selbst starke Reduktionen möglich zu machen.
Zahlreiche Konzerne deklarieren derzeit Net-Zero-Ziele, wie erkennt man echten Impact vs. Marketing?
Vollkommene Transparenz ist relativ schwierig, weil wir gerade noch am Anfang stehen. Der erste Schritt sind auf jeden Fall ambitionierte Klimaziele. Diese sollten aber auch wissenschaftlich fundiert sein. Es gibt zum Beispiel die Initiative "Science Based Targets", da können Unternehmen ihre Maßnahmen auflisten und an Klimaziele koppeln. Das ist etwas, was wir in der Zukunft auch einfordern und überprüfen müssen.
Große Konzerne haben oft bereits erkannt, dass die meisten Emissionen aus der eigenen Lieferkette stammen. Das heißt, wenn sie sich Ziele setzen, um klimaneutral zu werden, muss auch wirklich mit den Lieferant*innen zusammengearbeitet werden. Sodass man auch Transparenz schafft und relevante Klimadaten entlang der gesamten Lieferkette erhebt. Und genau da setzen wir als The Climate Choice an, indem wir Unternehmen ein Werkzeug an die Hand geben, um zunächst für sich zu erkennen, wo sie derzeit stehen und dann nach und nach gezielt Emissionen reduzieren. Dazu nutzen wir unseren datengetrieben Climate Readiness Check, ein klimafokussiertes ESG-Rating Instrument, welches den eigenen Klimareifegrad erfasst und handlungsorientiert, passgenaue Dekarbonisierungsmaßnahmen aufzeigt.
Für die einzelnen Konsument*innen ist es sehr schwierig zu erkennen, ob es sich um Marketing oder echte Ambitionen handelt. Gerade aufgrund der verwirrenden und unterschiedlichen Labels und Zertifikate die es gibt. Das Siegel "klimaneutral" zum Beispiel ist häufig kein Anzeichen, auf das man sich allein verlassen kann. Da würde ich immer empfehlen seine eigene Recherche darüber zu machen, wofür sich Unternehmen engagieren. Das heißt zusammengefasst: Klimastrategien sind heute noch nicht besonders transparent und greifbar. Was es dafür braucht sind mehr Klimadaten und Druck von Konsument*innen.
Was genau steckt hinter Eurem Climate Readiness Check?
Im Prinzip versuchen wir bei The Climate Choice existierende Klimadaten quantifizierbar und messbar zu machen. Dabei gehen wir entlang von internationalen Standards, die zeigen, wie klimafreundliches Wirtschaften aussieht. Wir schauen dabei auf die fünf Bereiche Wirkungsmodell, Strategie, Transparenz sowie Klimaeinfluss und ökologisches Handeln. Anhand dessen haben wir für Unternehmen einen softwaregestützten Fragebogen entwickelt, der am Ende ein eigenes Scoring ergibt - wir nennen das ein Climate Performance Rating.
Dort sehen Unternehmen wie sie in den verschiedenen Bereichen abschneiden, wo sie Stärken und Potentiale haben. Daraus leiten wir dann Maßnahmen ab, die man zur Dekarbonisierung direkt umsetzen kann. Wir vergleichen das Ergebnis der Unternehmen also gegen Mindestanforderungen auf regulatorischer Ebene, denn ab nächstem Jahr müssen Unternehmen ab 500 Mitarbeiter*innen am Finanzmarkt auch entlang Vorgaben der EU-Taxonomie reporten. All diese Punkte kennen Unternehmen häufig gar nicht.
Die Maßnahmen umfassen schnelle Schritte (Best Practices), aber auch langfristige Ziele. Dafür arbeiten wir mit Partner*innen zusammen, um direkt ins Handeln zu kommen und den Unternehmen auch einen einfachen Zugang zu diesem bislang so unstrukturierten Markt zu geben. Das geht in insgesamt neun Impact-Kategorien von Energie über Mobilität bis hin zur Produktion.
Eure Software klingt sehr automatisiert, gibt es auch einen menschlichen Faktor?
Wir sehen heute, dass man den menschlichen Faktor nicht rausnehmen kann und das wollen wir im ersten Schritt auch nicht. Wir versuchen aber möglichst alles in der Software abzubilden, um diese Hürde, die ein Beratungsprojekt sonst mit sich bringen würde, niedrig zu halten. Wir machen erst ein automatisches Scoring und danach ein persönliches Review-Gespräch. Da haben die Verantwortlichen dann die Möglichkeit Fragen zu stellen oder Angaben zu korrigieren. Damit hat man nochmal einen persönlichen Austausch. Um einen kleinen Anreiz zu geben, zeigen wir direkt Quick Wins auf, die innerhalb von drei Monaten umgesetzt werden können, Emissionen einsparen und das eigene Scoring verbessern. Die Idee ist es, diesen Score intern zu nutzen, als auch nach außen zu kommunizieren.
Wo liegt Eurer Erfahrung nach die größte Komplexität?
Tatsächlich sehen wir heute die Lieferkette vielerorts als Blackbox. Weil alle Unternehmen eigentlich wissen, dass hier die meisten Emissionen entstehen und dass für eine Reduktion ganz genaue Daten aus der Lieferkette benötigt werden. Diese Transparenz ist aber meistens noch nicht gegeben. Genau das ist der Schritt, den wir unterstützen. Das heißt, wenn man den Climate Readiness Check für sich durchgeführt hat, dann kann man auch seine Lieferant*innen einladen, den Prozess gemeinsam durchzugehen und diese Daten dann hinzunehmen. Das ist praktisch der Gedanke dahinter: Ein Netzwerk von Unternehmen aufzubauen, die sich gegenseitig dabei unterstützen Maßnahmen zur Dekarbonisierung umzusetzen.
Unsere Zielgruppe sind besonders die mittelständischen Unternehmen, da große Unternehmen und Konzerne oft ein eigenes Nachhaltigkeitsteam haben. In der Praxis arbeiten Konzerne dann aber wieder mit ihren Zulieferer*innen zusammen, die wiederum Mittelständler*innen sind, von denen dann Unterstützung zur Emissionsreduzierung gefordert wird. Damit wandert der Druck aktuell vor allem auf den Mittelstand, weil sie sich mit den Zielen der großen Unternehmen konfrontiert sehen und oftmals Vorgaben bekommen, um die Geschäftsbeziehung aufrecht erhalten zu können.
Welcher Bereich hat das größte Potential zur Dekarbonisierung?
Wir haben neun Impact-Kategorien für Handlungsempfehlungen entwickelt. Das sind die Bereiche, wo man am stärksten Emissionen reduzieren kann. Typischerweise hat der Bereich Energie den größten Impact. Das hängt aber natürlich auch vom Geschäftsmodell ab. Wenn es ein digitales Unternehmen ist, dann geht es nochmal in den Server rein, wenn es eine Beratungsfirma ist, dann gibt es sehr viel im Mobilitätsbereich anzugehen. Aber natürlich steht und fällt es vor allem, mit der Energie, die bei der Produktion genutzt wird.
Wie sieht der Durchschnittsscore der Unternehmen aus?
Zum Glück nicht schockierend. Aktuell liegt das Ergebnis noch bei einer Gauß’schen Verteilungskurve. Dies hat aber auch sicherlich etwas damit zu tun, dass wir noch hauptsächlich mit Unternehmen zusammenarbeiten, die schon etwas zur Dekarbonisierung getan haben und dies auch zeigen und kommunizieren wollen. Das sind eben die Innovator*innen, die entdecken wollen, was sie noch tun können. Wir sind uns bewusst, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis wir das lange Ende des Marktes erreicht haben. Aber diese Pioniere geben Zuversicht und es ist schön zu sehen, dass der Einsatz für Menschen und Umwelt immer mehr im Unternehmensgeist verankert ist.
Wie steht es um das Gerücht der hohen Kosten für ein Unternehmen im Wandel?
Glücklicherweise sprechen alle Forschungsergebnisse dagegen. Es zeigt sich, dass sogenannte nachhaltige Produkte am Markt stärker wachsen, stärker nachgefragt werden, Investor*innen präferiert hier investieren, Mitarbeiter*innen und Geschäftspartner*innen danach fragen und eine positive Positionierung auch als Nebeneffekt entsteht. Den Tipp, den wir immer geben, ist dass man es sich garnicht leisten kann, nicht in Nachhaltigkeit zu investieren, da es eine zukunftsorientierte, strategische Entscheidung ist. Das ist ähnlich wie mit der Digitalisierung, dass es so oder so kommt - durch Gesetzeslage aber auch getrieben durch den Markt. Wenn man jetzt nicht investiert, ist es eine verpasste Chance. Auf der anderen Seite werden die Kosten steigen, durch höhere CO2-Besteuerungen und dem Risiko Kunden*innen zu verlieren oder Investitionen zu verpassen.
Was ist Euer Matchmaking und warum ist es so schwer die richtigen Partner*innen zu finden?
Ich glaube, dass Unternehmen häufig gefangen sind zwischen existierenden Standards und ihrem KPI-Reporting. Das ist aber alles eher rückwärtsorientiert. Für die zukunftsgerichteten Entscheidungen, die sehr oft Budget und Einkauf betreffen, bleibt eben kaum Zeit. Da braucht es aber Recherche, da die fehlende Transparenz am Markt die Suche nach den richtigen Lieferant*innen und Dienstleister*innen erschwert.
Bei uns gibt es nach der Erfassung der eigenen Klima-Performance den Zugang zu einer Datenbank, wo man Lösungsanbieter*innen entdecken kann. Die sind dann direkt mit den einzelnen Potentialen verbunden und wir zeigen diese im Review-Gespräch auch nochmal auf. Das sind von uns validierte Partner*innen. Somit haben wir auch diese Unternehmen anhand unserer Kriterien überprüft.
CO2-Ausgleich gehört zu Euren Maßnahmen-Portfolio, ist das nicht Greenwashing?
Wir sehen das nicht als ersten Handlungsschritt, sondern als Teil der Maßnahmen. Das fängt eben bei Energie und Mobilität an und geht dann in den letzten Schritten auch in Umwelt und Gesellschaft. Bereiche, die nicht durch eigene Potentiale abgedeckt werden, können durch freiwilligen Klimaschutz ergänzt werden. Es muss aber klar sein, dass sich dadurch nichts an der eigenen Klimabilanz ändert. Das ist ein Punkt, der als freiwillige Spende an Orte geht, wo Klimaschutz sonst nur schwer finanzierbar wäre. Das ist eine Maßnahme, die gut ist, um auch einen eigenen Kostenpunkt aufzubauen, wo man spürt, dass es CO2-Bereiche gibt, die nicht abgedeckt werden können und dafür wird dann bezahlt. Die Kosten decken aber keineswegs die tatsächlichen Umweltschäden pro emittierter Tonne CO2.
Wie realistisch ist Deiner Ansicht nach das 1,5-Grad Ziel?
Im Best-Case-Szenario des IPCC Reports überschreiten wir das 1,5 Grad Ziel, können aber wieder darauf zurückkommen. Dieses Szenario ist genauso valide wie die weiteren 4 Szenarien. Wenn wir das Ziel nicht einhalten sollten, dann haben wir trotzdem oder gerade deswegen die größten Gründe und Motivation, dafür zu sorgen, dass wir deutlich unter 2 Grad bleiben. Es liegt an uns, sich nicht nur an Prognosen festzuhalten, sondern an der bestmöglichen, regenerativen Zukunft zu arbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch Lara
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