COP29: Klimagipfel in Baku zwischen Fortschritt und Frustration

Die 29. UN-Klimakonferenz ist geprägt von Widersprüchen: Positive Prozesse im Emissionshandel stehen einer schleppenden Einigung in der Klimafinanzierung gegenüber. Ob die COP29 die dringend notwendigen Impulse für den Klimaschutz setzen kann, bleibt ungewiss – und die Zeit drängt…

COP29 in Baku
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Autor: Haus von Eden

Zu viele leere Versprechungen, zu wenig konkrete Maßnahmen – die UN-Klimakonferenzen stehen seit Jahren in der Kritik. Vom 11. bis 22. November 2024 findet nun die 29. Auflage in der aserbaidschanischen Haupstadt Baku statt. Die Gastgeberstadt steht dabei selbst sinnbildlich für die aktuellen Herausforderungen: Als Ölmetropole am Kaspischen Meer ist Aserbaidschan stark von fossilen Energieträgern abhängig, strebt aber gleichzeitig einen Wandel zu erneuerbaren Energien an.

Hauptthema des diesjährigen Gipfels ist die Klimafinanzierung. Ein neues globales Finanzierungsziel soll verabschiedet werden, um Entwicklungsländern dabei zu helfen, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Zudem tickt die Uhr immer lauter. Immerhin markiert die COP29 eine der letzten Möglichkeiten, um in der globalen Klimapolitik eine Kehrtwende einzuleiten. Schließlich ist ein gemeinsamer Kraftakt nötig, um die CO2-Emissionen wie im Pariser Klimaabkommen festgelegt bis 2023 zu halbieren und so die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Doch die Voraussetzungen dafür stehen schlecht. Immerhin haben mehrere Staats- und Regierungschefs ihre Teilnahme an der Konferenz in diesem Jahr abgesagt, darunter US-Präsident Biden, der französische Präsident Macron und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Kann das Format so überhaupt etwas bewegen?

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Statements zum Start der COP29

Eröffnet wurde die COP29 am 11. November vom aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev. In seiner Rede betonte er die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen, verteidigte aber gleichzeitig die Bedeutung von Öl und Gas für die wirtschaftliche Entwicklung. Dies sorgte bereits zu Beginn der Konferenz für Kontroversen.

UN-Generalsekretär António Guterres mahnte in seiner Ansprache eindringlich mehr Tempo beim Klimaschutz an: „Wir sind im finalen Countdown, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen“, sagte Guterres. „Und die Zeit ist nicht auf unserer Seite.“ Er forderte die Staatengemeinschaft auf, endlich von Ankündigungen zu konkreten Taten überzugehen – und nahm dabei vor allem die Industrieländer in die Verantwortung, „Dies ist eine vermeidbare Ungerechtigkeit“, so Guterres. „Die Reichen verursachen das Problem, die Ärmsten zahlen den höchsten Preis.“ Damit sprach Guterres bereits das Hauptziel der COP29 an – eine Einigung über ein neues, kollektives und quantifiziertes Ziel für die Klimafinanzierung (New Collective Quantified Goal, NCQG) ab 2025. Dieses Ziel soll das aktuelle, seit 2009 bestehende und als unzureichend kritisierte Jahresziel von 100 Milliarden US-Dollar ablösen

Es geht ums liebe Geld

Ihren Spitznahmen "Klimafinanzierungs-COP" trägt die COP29 zurecht. Schließlich liegt das Hauptaugenmerk der Konferenz auf der Mobilisierung finanzieller Ressourcen für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Die COP29 steht vor der entscheidenden Frage, ob die 2015 in Paris getroffene Vereinbarung noch Bestand hat: Industrieländer verpflichten sich, Entwicklungsländer finanziell zu unterstützen, damit diese ihre Klimaschutzmaßnahmen verstärken können.

Diese sind schließlich ohne Hilfe von außen oft nicht in der Lage, die notwendigen Technologien zur CO2-Reduktion zu implementieren. Auch von Folgen des Klimawandels wie Dürren, Überschwemmungen oder anderen extremen Wetterverhältnissen sind diese Länder meist besonders betroffen. Doch die bisherigen finanziellen Mittel aus dem weltweiten Fonds reichen bei weitem nicht aus. So schätzen Experten, dass bis 2030 etwa 5,9 Billionen US-Dollar an Klimafinanzierung erforderlich sein werden, damit auch nur ein Teil dieser Länder seine Klimaziele erreichen kann. Die Verhandlungen bei der COP29 zielen daher darauf ab, die Lücke zwischen den benötigten und den tatsächlich bereitgestellten Mitteln zu schließen. Zudem wird intensiv darüber debattiert, wie zusätzliche Gelder aus dem Privatsektor mobilisiert werden und die Finanzierungsmechanismen verbessert werden können.

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Eine Frage der Gerechtigkeit

Auch die gerechtere Verteilung der bestehenden Mittel ist dringend notwendig. Schließlich zeigt der aktuelle Anpassungsindex von Brot für die Welt erhebliche Ungerechtigkeiten bei der Verteilung internationaler Finanzmittel für Klimaanpassung auf. Der Index analysiert die Zuweisung der Mittel im Verhältnis zu den Klimarisiken, denen Länder des Globalen Südens ausgesetzt sind. Das alarmierende Ergebnis: 90 Prozent der untersuchten Länder erhalten weniger Unterstützung, als ihnen bei einer fairen Verteilung zustehen würde.

Die reichen Industrieländer haben ihr Klimakonto schon lange überzogen und die ärmsten der Armen zahlen dafür den Preis. Doch die Frage, wer für die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen und die Bewältigung von Klimaschäden in ärmeren Ländern aufkommen soll, bleibt trotzdem ein großer Streitpunkt. Dabei ist ein Investment in folgende Maßnahmen dringend erforderlich:

  • Verbesserung von Frühwarnsystemen für Extremwetterereignisse
  • Entwicklung klimaresistenter Infrastruktur
  • Förderung nachhaltiger Landwirtschaftspraktiken
  • Schutz von Küstengebieten vor steigendem Meeresspiegel

Die größten Baustellen der COP29

Neben der großen Finanzierungsfrage und dem Ringen um die Verbesserung der Klimagerechtigkeit, wird die COP29 von weiteren wichtigen Themenschwerpunkten bestimmt:

  • Erneuerbare Energien: Die massive Ausweitung erneuerbarer Energien und Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen spielt eine Schlüsselrolle. Neue Initiativen sollen Energiespeicherung, grüne Energiegewinnung und Wasserstoff fördern. Auch eine verstärkte Emissionsreduktionen in Industrie und Verkehr durch energieeffizientere Produktionsweisen und Fortbewegungsmittel steht im Fokus.
  • Methan-Reduktion: Ein Bericht des UN-Umweltprogramms zeigt, dass bisher nur ein Bruchteil der Regierungen und Unternehmen auf Methanlecks reagiert, trotz verbindlicher Zusagen. Zudem versäumen es Öl- und Gasunternehmen, sich strikte Ziele zur Reduzierung von Methan-Emissionen zu setzen. Viele der von der Privatwirtschaft vorgelegten Pläne decken nicht alle Emissionsquellen ab und der Erfolg der Strategien zur Zielerreichung ist zudem fragwürdig. Auch die Methanreduktion in Ländern mit großen Fleisch- und Molkereikonzernen bleibt unzureichend. Die meisten nationalen Strategien enthalten keine verbindlichen Vorgaben für Emissionsreduktionen oder für die Senkung der Viehbestände.
  • Ernährungssicherheit: Ein neuer Report des CGIAR zeigt, dass bis 2030 rund 55,47 Milliarden US-Dollar für klimabezogene Maßnahmen in der Landwirtschaft in Afrika fehlen. Zudem besteht ein jährlicher Bedarf von 153 Milliarden US-Dollar, um die Resilienz von 511 Millionen Kleinbauern gegen Klimafolgen weltweit zu stärken. Derzeit werden jedoch nur rund 2 Milliarden US-Dollar bereitgestellt. Zudem sehen sich die COP29-Länder damit konfrontiert, dass mehr gegen die Lebensmittelverschwendung getan werden muss. Hier haben sich laut der NGO WRAP nur 12% der teilnehmenden Staaten dazu verpflichtet, sich zur Reduzierung von Lebensmittelabfall einzusetzen.
  • Anstieg des Meeresspiegels: Der steigende Meeresspiegel erfordert hohe Anpassungskosten, zum Beispiel allein 10 Milliarden US-Dollar für die drei am meisten betroffenen Pazifik-Atoll-Nationen – das entspricht etwa dem 20-fachen ihres jährlichen Bruttoinlandsprodukts. Hier sind also Finanzhilfen nötig.

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Kontroversen bei der Weltklimakonferenz

Neben den wichtigen Themen, die die Weltgemeinschaft gemeinsam auf der COP29 angehen will, wird die Veranstaltung von drei zentralen Streit- und Kritikpunkten bestimmt:

  • Kritik an der Rolle der fossilen Brennstoffindustrie: Die starke Präsenz von Lobbyisten der fossilen Energiewirtschaft auf der COP29 hat heftige Kritik hervorgerufen. So sollen über 1.700 Vertreter dieser Industrie Zugang zur Konferenz erhalten haben. Dadurch steht zu befürchten, dass diese direkten oder indirekten Einfluss auf die Verhandlungen nehmen und so ein Grund für die mögliche Verwässerung ambitionierter Klimaziele sein könnten.
  • Kontroverse um die Gastgeberrolle Aserbaidschans: Die Wahl Aserbaidschans als Gastgeberland hat ebenfalls zu Diskussionen geführt. Kritiker weisen auf die starke Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen hin und äußern Bedenken hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte. Zudem gibt es Vorwürfe, dass die Regierung die COP29 nutzt, um gegen Umweltaktivisten und politische Gegner vorzugehen.
  • Streit um COP-Reform: Eine Gruppe führender Klimapolitik-Experten, darunter der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, forderte eine grundlegende Neuausrichtung der jährlichen Treffen. Sie plädierte für eine Straffung des komplexen Programms und schlug vor, die Gipfel dafür häufiger abzuhalten. Zudem solle den Entwicklungsländern mehr Einfluss eingeräumt werden. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu wahren, sei es notwendig, strikte Zulassungskriterien einzuführen, die Länder ausschließen, die sich nicht zur Abschaffung fossiler Brennstoffe bekennen, und Gastgeberländer dazu zu verpflichten, ihre Ambitionen in Bezug auf den Klimaschutz nachzuweisen.

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Vielversprechende Lösungsansätze

Für die vorab definierten Herausforderungen kamen bei der COP29 verschiedenste Lösungsvorschläge auf den Tisch:

Verstärktes Engagement der Privatwirtschaft: Um Unternehmen für den Klimaschutz zu mobilisieren, wurde bei der Konferenz erörtert, dass Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft sein können, indem die Kosteneffizienz durch Dekarbonisierung gesteigert und neue Wertschöpfungspotenziale erschlossen werden.

Technologische Lösungen: Bei der COP29 wurde die Notwendigkeit betont, bestehende saubere Technologien schneller zu skalieren und neue Innovationen zu fördern. Diskutiert wurden unter anderem: Fortschritte bei erneuerbaren Energien und Energiespeicherung, Entwicklungen in der Wasserstofftechnologie, innovative Ansätze zur CO2-Speicherung und digitale Lösungen für Energieeffizienz und Emissionsmanagement. Es wurde hervorgehoben, dass die notwendigen Technologien zur Erreichung der Netto-Null-Emissionen größtenteils verfügbar sind, die Herausforderung jedoch in ihrer beschleunigten Einführung und Skalierung liegt.

Naturbasierte Maßnahmen: Die Bedeutung von Wäldern als natürliche Kohlenstoffspeicher wurde bei der COP29 hervorgehoben und die Verknüpfung von Klimaschutz und Erhaltung der Biodiversität als entscheidender Faktor herausgestellt. Dabei wurde betont, dass intakte Ökosysteme nicht nur Kohlenstoff speichern, sondern auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimafolgen erhöhen können. Auch die Bedeutung indigenen Wissens und die Notwendigkeit, indigene Gemeinschaften in Klimaschutzmaßnahmen einzubeziehen, wurden angesprochen. Die Gründung der "Troika of Indigenous Peoples" durch Vertreter aus Brasilien, Australien und dem Pazifik unterstrich die Forderung nach stärkerer Beteiligung indigener Völker an den Verhandlungen.

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Fortschritte und Erfolge

Trotz der zahlreichen Herausforderungen konnten in den ersten Tagen der COP29 bereits einige positive Entwicklungen verzeichnet werden:

Emissionshandel: Ein früher Erfolg war die Verabschiedung eines Mechanismus für einen zentralisierten Kohlenstoffhandel direkt am ersten Tag des Gipfels. Dieser Schritt ebnet den Weg für den lang erwarteten globalen Kohlenstoffmarkt, der im Artikel 6.4 des Pariser Abkommens vorgesehen ist. Das System ermöglicht es Ländern und Unternehmen, unter UN-Aufsicht mit Emissionsgutschriften zu handeln, die durch Maßnahmen wie Aufforstung oder Regenwaldschutz generiert werden.

Initiativen für erneuerbare Energien: Die COP29-Präsidentschaft lancierte drei wichtige Energieinitiativen. Diese zielen darauf ab, die Entwicklung und den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen und die notwendige Infrastruktur zu schaffen. Insbesondere die Wasserstoff-Initiative soll als Katalysator für den globalen Markt für sauberen Wasserstoff dienen.

Nationale Klimaziele: Mehrere Länder haben während der Konferenz ambitioniertere nationale Klimaziele (NDCs) vorgestellt:

  • Das Vereinigte Königreich kündigte an, seine Treibhausgasemissionen bis 2035 um 81% gegenüber 1990 zu reduzieren.
  • Brasilien verpflichtete sich, seine Emissionen bis 2035 um 59% bis 67% gegenüber 2005 zu senken.
  • Die Vereinigten Arabischen Emirate setzten sich das Ziel, ihre Emissionen bis 2035 um 47% gegenüber 2019 zu reduzieren.

Diese Ankündigungen können als positive Signale gewertet werden. Kritiker merken allerdings an, dass sie noch nicht ausreichen, um das 1,5°C-Ziel zu erreichen.

Zwischenbilanz der COP29: Ein Balanceakt zwischen Innovation und Stagnation

It’s now or never – aber so wirklich scheint die Dringlichkeit der Bewältigung der Klimakrise noch nicht in den Köpfen aller angekommen zu sein. So steht die COP29 in Baku exemplarisch für die Herausforderungen und Widersprüche der globalen Klimapolitik. Einerseits wurden wichtige Fortschritte erzielt und Impulse für die Zukunft gesetzt. Andererseits verdeutlichen die Verhandlungen die nach wie vor bestehenden Gräben zwischen den Interessen von Industrieländern und Entwicklungsländern, insbesondere in der Klimafinanzierung.

Hinzu kommen kontroverse Punkte wie die starke Präsenz der fossilen Industrie oder die unzureichende Einbindung von besonders betroffenen Ländern und Bevölkerungsgruppen. Während die Dringlichkeit des Handelns immer größer wird, bleibt der Eindruck, dass politische Machtspiele und wirtschaftliche Eigeninteressen den notwendigen globalen Kraftakt bremsen. Die COP29 zeigt damit erneut: Fortschritte sind möglich, doch ohne einen radikalen Wandel in der Zusammenarbeit und Verpflichtung aller Beteiligten droht die Menschheit den Wettlauf gegen die Zeit beim Kampf gegen den Klimawandel zu verlieren.

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