Rethinking Plastic – Salon des ANSC zeigt facettenreiche Blickwinkel des Plastikproblems

Plastik für die Ewigkeit? Ein Salon des Arts and Nature Social Club im Hotel de Rome Berlin beleuchtet die verheerenden Auswirkungen von Plastik und zukunftsweisende Lösungen

ANSC Rethinking Plastic Hotel de Rome

Autor: Julia Schindler

Plastik. Plastik. Plastik. Ein Material, das unseren Alltag, unsere Gesellschaft und vor allem unser Ökosystem durchdrungen hat. Dieser allgegenwärtige Kunststoff, dessen Ursprung in komplexen chemischen Verbindungen liegt, ist heute eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Was in den 1960er Jahren noch als revolutionär gefeiert wurde – leicht, langlebig, flexibel und kostengünstig – hat sich innerhalb von sechzig Jahren als eine ökologische Katastrophe entpuppt, mit weitreichenden Folgen für die Umwelt, die Gesundheit und die soziale Gerechtigkeit.

Während Plastik als Begriff alle Kunststoffmaterialien umfasst, bezieht sich Mikroplastik auf kleine Partikel mit einer Größe von unter fünf Millimetern. Diese unsichtbaren Feinde unserer Umwelt finden sich mittlerweile überall: in Flüssen und Meeren, in der Luft und sogar in unserem Blut. Der Film "Plastic Fantastic" zitiert, dass es 500 Mal mehr Plastikpartikel in den Ozeanen gibt als Sterne in unserer Galaxie – eine erschreckende Statistik, die das Ausmaß der Problematik verdeutlicht.

Quelle & Copyright Yaseen Salem

Arts and Nature Social Club initiiert Rethinking Plastic Salon

Um diesem drängenden Thema Aufmerksamkeit zu schenken und Lösungen zu diskutieren, veranstaltete der Arts and Nature Social Club (ANSC) am vergangenen Montag einen interaktiven Salon im ehrwürdigen Hotel de Rome. Unter dem Titel "Rethinking Consumption: From Plastic Fantasies to Circular Realities" kamen vier abwechslungsreiche Gäste aus den Bereichen Film, Gründertum und Consulting zusammen, um ihre Perspektiven und Lösungen für ein umweltfreundlicheres Morgen zu teilen. Moderiert von Jörg Geier und Fabian König, beide im Vorstand des ANSC, bot die Veranstaltung tiefgehende Diskussionen und interaktive Elemente für das Publikum.

Der Abend begann mit Ausschnitten aus dem preisgekrönten Film "Plastic Fantastic" der renommierten Filmemacherin Isa Willinger. Der Film, der als einer der wichtigsten Klimafilme des Jahres gefeiert wird, zeigt unverblümt die größte Problematik des Mikroplastiks: den unmöglichen Abbau und die Deponierung des Materials. Plastik gelangt heutzutage in die Natur, in abgelegene Industriegebiete und schließlich in unsere Ozeane, wo es sich in Mikropartikel zersetzt und über unsere Nahrung in den menschlichen Körper eindringt. Das Besondere: Isa Willinger gibt in ihrem Film auch denjenigen eine Stimme, die oft ungehört bleiben, wie Fabrikarbeiter:innen aus sozial schwächeren Standorten oder Bewohner:innen der Hochburgen der Plastikindustrie in den USA.

Quelle & Copyright Yaseen Salem

Innovative Ansätze und konkrete Lösungen gegen die Allgegenwart von Plastik

Ein weiterer Diskussionspartner des Abends war Felix Cornehl, Plastics Policy Lead bei Systemiq. Das Unternehmen identifiziert und investiert in Innovationen, die entscheidende Systemveränderungen vorantreiben können. Er verdeutlichte, dass 70% der Treibhausgasemissionen aus fossilen Brennstoffen stammen und die CO2-Emissionen aus der Industrie bis Mitte des Jahrhunderts auf null reduziert werden müssen.

"Es ist jedem klar, dass wir uns schnell den planetaren Grenzen nähern" - Felix Cornehl, Systemiq 

Mit Felix Cornehl bewegte sich der Salon von einem analytischen Ansatz hin zu der Frage, wie ein größeres Bewusstsein bei der Politik und in der Gesellschaft geschaffen werden kann. Die Herausforderungen sind immens: "Auf unserem Planeten haben heute zwei Milliarden Menschen, vor allem in ländlichen Regionen und Entwicklungsländern, keinen Zugang zu Essen und sauberem Trinkwasser. "Wie können diese grundlegenden Bedürfnisse gedeckt werden, ohne dabei noch mehr Plastik zu produzieren? Felix Cornehl sieht Raum für systemische Lösungen und gerechte Ökosysteme durch innovative Lösungen und Transformation.

Karsten Hirsch, Gründer und CEO von Plastic Fischer, setzte den Dialog fort. Sein Unternehmen konzentriert sich auf die Bekämpfung von Flussplastik, um das Eindringen in die Ozeane zu verhindern. Durch einfache, kostengünstige Methoden, wie den Bau von schwimmenden Barrieren aus lokal verfügbaren Materialien, hat Plastic Fischer bereits beeindruckende Erfolge erzielt. Besonders im Fokus steht der stark verschmutzte Ganges in Indien.

"Man braucht kein High Tech, um gegen das Plastikproblem zu kämpfen" - Karsten Hirsch, Plastic Fischer

Seit der Gründung vor fünf Jahren hat Plastic Fischer 1500 Tonnen Flussplastik gesammelt und dadurch 80 lokale Jobs geschaffen. Dennoch bleibt die Zusammenarbeit mit den Regierungen der am meisten produzierenden Länder eine große Herausforderung, da diese oft korrupt sind und wenig Interesse an Veränderungen zeigen.

Quelle & Copyright Yaseen Salem

Gemeinschaftliches Handeln und lokale Initiativen als erprobte Lösungsansatz

Anna Wasilewski, Gründerin der Nachbarschaftsinitiative Litterpicker, brachte eine weitere wertvolle Perspektive in die Diskussion ein. Litterpicker organisiert Aufräumaktionen in Berliner Kiezen, Kitas und Schulen und schärft das Bewusstsein für die Müllproblematik. Was während der Corona-Pandemie 2021 mit einem ersten Treffen von 20 Personen in Wedding begann, bringt heute über 200 Menschen zu einem Clean-up zusammen.

"Wir reden nicht über Probleme, sondern über Lösungen und gehen mit einer großen Portion Spaß an die Sache" - Anna Wasilewski, Litterpicker

Durch die Zusammenarbeit mit großen Berliner Unternehmen, Verbänden und Parteien hat Litterpicker einen nachhaltigen Einfluss erzielt. Besonders bemerkenswert ist das Engagement gegen Zigarettenstummel, die einen Großteil des gesammelten Mülls ausmachen und Mikroplastik enthalten. Schließlich wurde die Frage diskutiert, wie dysfunktionale Märkte aufgebrochen werden können. Plastik ist billiger als nachhaltige Alternativen, was es für eine schnell konsumierende Gesellschaft attraktiv macht. Ein Ansatz wäre, Steuern auf die bisher steuerfreien Plastikteile zu erheben und das gesamte System der Regierungen, Plastikkonzerne und NGOs sowie den Recycling-Kreislauf zu reformieren. Dabei muss auch in der EU, insbesondere in Deutschland, gehandelt werden.

Der Weg in eine plastikfreie Zukunft?

Die Fishbowl-Diskussionsrunde am Ende des Abends bot Raum für offene Fragen und Denkanstöße seitens der eingeladenen Gäste und des Publikums. Wie kann ein Umdenken des Plastikkonsums auf allen Ebenen erreicht werden? Eine gemeinsame Vision zu schaffen ist ein Weg: NGOs, Regierungen und die Industrie müssen zusammenarbeiten, um nachhaltige Lösungen zu finden.

Der Abend zeigte eindrucksvoll, dass jeder und jede aktiv werden kann, um etwas zu bewegen. Drei Berliner Unternehmen im Bereich der "Circular Economy" – Circular Berlin, Cradle to Cradle NGO und ProjectTogether – wurden eingeladen, um ihre Visionen und Projekte vorzustellen.  Ein gesellschaftliches Umdenken ist notwendig. Weniger Strafe und Druck, sondern emotionales und experimentelles Lernen müssen die Menschen dazu bringen, zu fühlen, was mit unserem Planeten passiert, wenn wir so weitermachen wie bisher. Zum Schluss waren sich die Speaker einig darüber, dass wir die Spielregeln ändern müssen. Es reicht nicht, nur den Verstand anzusprechen; auch das Herz muss erreicht werden.

Der Salon wurde durch folgende Partner unterstützt: Hotel de Rome, Fulbright Germany, Top Tier Impact (TTI), Haus von Eden und Clever Elements

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