Vivienne Westwood – Mode-Ikone und passionierte Aktivistin

Umweltfragen, Menschenrechte, Klimawandel – Modedesignerin Vivienne Westwood vertritt eine starke Meinung. Ein Blick in die unverblümten aktivistischen Aktionen der Britin

Vivine Westwood
Bildquelle & Copyright by Vivienne Westwood

Autor: Elisabeth Klokar

Vivienne Westwood entspricht keinen der gängigen, schillernden Fashion-Erwartungen. Sie ist unangepasst, ehrlich, provokativ und widersprüchlich. Mit fast 80 Jahren führt sie noch immer ihr eigenes Unternehmen. Sie entwirft jede ihrer Kollektionen selbst und engagiert sich nach wie vor für den Klimaschutz und Menschrechte. Eines ihrer bekannten Zitate lautet: "Buy less, choose well, make it last!".

Es gibt Vivienne, die Fashion-Designerin, Vivienne, die Aktivistin und Vivienne, den Menschen - wir zeigen einen biographischen Querschnitt.

Interessante Themen: Nachhaltige Luxusmarken als Vorreiter positiven Wandels

Wer ist diese Grand Dame des Punk?

Als ältestes von drei Kindern wurde Vivienne Isabel Swire 1941 in einer englischen Kleinstadt geboren. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen und arbeitete in den 60er-Jahren zunächst als Grundschullehrerin in London. Zuvor studierte sie ein Semester an der Harrow Art School Modedesign. Verließ diese aber mit dem Gedanken, nie Erfolg in einem kreativen Beruf haben zu können. Dennoch, sie sprühte schon damals vor Energie, wusste nur noch nicht, wie sie diese umsetzen sollte. Nach der Scheidung von Derek Westwood lernte sie ihren Partner Malcolm McLaren kennen, mit dem sie fast zwanzig Jahre zusammen war.

Nicht minder beeinflusst von dieser Beziehung zu Malcolm McLaren, dem späteren Manager der Sex Pistols, begann Westwood wieder mit dem Schneidern und entwickelte einen ganz eigenen, autodidakten Stil. Zu dieser Zeit machte sich in England die Punk-Subkultur breit – und Vivienne Westwood befand sich quasi mittendrinn. Für ihre Designs gründete sie 1971 gemeinsam mit McLaren ihren ersten Laden in der King´s Road, der mehr Künstleratelier als Boutique war. Dessen Namen änderte sich zudem im Laufe der Jahre mit jeder neuen Kollektion: „Let it rock at paradise garden“ zu „Too fast to live, too young to die“, einfach „Sex“ und „Seditionaries“.

Punk-Ideologie mit „Do it yourself“-Charakter

Ihre anfänglichen Inspirationen entdeckte sie allerdings im Retro-Charme der Fünfziger. Sie trennte alte Ready-to-Wear Stücke und Teddyboy-Anzüge in ihre Einzelteile auf, dekonstruierte und veränderte diese, kopierte Schnitte und nähte sie nachher wieder zusammen. Mode, Kunst, Musik – anfangs verschwammen die Grenzen. Westwoods Kleidung wirkte zufällig und hatte gemäß der Punk-Ideologie „Do it yourself“-Charakter. Bedruckt mit Sprüchen und Motiven, mit Latex, Reißverschlüssen, Ketten, Nieten und Sicherheitsnadeln versehen, provozierte ihre Mode immer mehr und fand Gefallen bei Bohemians, Außenseitern und Aktivisten. "Ich sah mich damals noch nicht als Modemacherin. Wir suchten (...) nach Motiven der Rebellion, um es dem Establishment zu zeigen. Das Ergebnis war Punk."

BRAND-GUIDE

Beginn einer neuen Richtung mit Vivienne Westwoods Piraten-Kollektion

Ihre erste professionelle Laufsteg-Kollektion präsentierte Westwood schließlich im Herbst/Winter 1981 mit dem Titel „Pirates“. Zuvor änderte sie den bis heute bestehenden Boutique-Namen in „World’s End“. Gleichzeitig nahm sie mit „Pirates“ Abschied vom Punk, gerade noch, als er in den Mainstream überging. Mit der „Fingerübung“, wie sie in einem Interview dem Stern ihre Punkt-Phase erklärte, ging es ihr um eine Art subversive Provokation: „Ich wollte herausfinden, inwieweit man die Verhältnisse verändern kann, indem man das System attackiert.“

Doch das man mit pauschalen Phrasen, gedruckt auf T-Shirts, nichts ändern könne, war ihr schnell bewusst. „Dadurch schockt man das Establishment nicht, sondern füttert es im Gegenteil noch“, ergänzte sie im Interview weiter. So markiert die Piraten-Kollektion den Beginn einer neuen Richtung in Westwoods Mode, die sie auch bis heute noch prägt. Anklänge ans 18. und 19. Jahrhundert vereint mit Ideen aus Literatur und Kunst. Sie selbst erklärt im Dokumentarfilm "Westwood: Punk, Icon, Activist", umgesetzt von der britischen Regisseurin Lorna Tuckervon, dass alles, was sie designt, Charakter besitzen müsse.

Vivienne Westwood Mode-Ikone und Aktivistin

Bei Westwood trifft Modegeschichte auf Ungewöhnliches: Schottenkaros, Tweed, Latex, Korsagen und höfische Röcke vereinen sich in ihren Entwürfen fern jedes Modediktats und losgelöst von Regeln oder Etiketten. Als Designerin „möchte sie das Denken der Leute beeinflussen“. Warum? Heute werde nur noch konsumiert, was die Propaganda-Industrie den Menschen vorsetze. Genau aus diesem Grund engagiert sich die Designerin stets politisch und startet regelmäßig Kampagnen. Sei es für Menschenrechte, Nachhaltigkeit oder Umweltschutz; oftmals gepaart mit ihren Shows, die sie gerne als Bühne für ihre knallharten, ungeschminkten Statements nutzt. Hier ein Querschnitt:

1. Bei der Herbst/Winter 2017/2018 Modenschau "Ecotricity" ging es um erneuerbare Energien und darum, andere Luxuslabels aufzufordern, von fossilen Brennstoffen auf grüne Energie umzusteigen.

2. Die Show für die Kollektion Frühjahr/Sommer 2016/17 wurde zu einem Protestmarsch: Die Models marschierten über den Catwalk, in den Händen hielten sie Plakate mit Statements wie "Austerity is a crime" und "Fracking is a crime".

3. Im Frühjahr/Sommer 2014 machten Schriftzüge auf T-Shirts, wie etwa „Climate“, auf den Klimawandel aufmerksam. Im selben Jahr entwarf sie das „Save the Arctic“-Logo – eine herzförmige Weltkugel – für die Greenpeace-Kampagne.

4. Zeichen für den Klimaschutz: 2011 spendete die Modedesignerin eine Million Pfund (1,2 Millionen Euro) der britischen Umweltschutzorganisation „Cool Earth“, um Abholzungen in Urwäldern zu stoppen.

Das Luxuslabel Vivienne Westwood gilt als Vorreiter in Sachen nachhaltiger Mode

Dies beweist unter anderem auch der Verzicht auf echte Pelze seit 2007 oder ihr Einfluss auf andere Designer. In Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister von London und dem British Fashion Council, sowie mehrere britische Unternehmen wie Belstaff oder Marks & Spencer, folgen dem Beispiel von Westwood und steigen zum Beispiel auf klimaneutrale Energien um.

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elisabeth klokar

Text: Elisabeth Klokar

Elisabeth ist Autorin und freie Journalistin. Sie studierte in Graz Kunstgeschichte, an der Akademie für bildende Künste Wien Kunst & Kommunikation und Moden & Styles und Fine Arts am Central Saint Martins College, University of the Arts London. Seit mehr als zehn Jahren schreibt sie für unterschiedlichste Print- und Online-Medien über moderne und zeitgenössische Kunst, Mode und Architektur. 

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