Purposeful Luxury – Lifestyle in Zeiten der Corona Pandemie

Die Zeit des opulenten Luxus ist vorbei. Heute ist Luxus inklusiver, bewusster und positiver. Willkommen in der Welt des Purposeful Luxury

By Expertin Julia Riedmeier „Neo Luxury“

purposefull luxury
Quelle & Copyright by Schaffrath 

Autor: Julia Riedmeier

Bain & Company schätzt einen Rückgang des globalen Marktes für persönliche Luxusgüter um 20 bis 35%. Hier hilft somit auch kein Revenge-Spending mehr. Die Lust auf lauten und gewohnten Luxus scheint (erstmal) zu schwinden. Bling-Bling wird gegen leisen Luxus, das eigene Wohlgefühl und das der Gesellschaft eingetauscht. Luxus wird inklusiver, bewusster, positiver.

Was braucht die Welt, was brauche ich? In 2020, besonders während des Lockdowns, haben wir erfahren, was wir wirklich benötigen und was bewusster Konsum ist. Einige Facetten wurden nach dem Lockdown über Bord geworfen, andere mit ins Next Normal genommen. Schon vor der Pandemie zeichneten sich ändernde Konsumentenbedürfnisse, Informations- und Kaufverhalten ab. Gespiegelt in den NEO Luxus Trends wie Nachhaltigkeit, Achtsamkeit, Digitalisierung, die sich durch die Bewegungen der letzten Monate verstärkten.

Luxusmarken waren dazu angehalten, (noch) mehr vom Kunden zu denken, nachhaltiger, digitaler und agiler zu handeln. Doch wie genau tickt der evolvierte Luxuskunde und was bedeuten diese Bewegungen für Luxusmarken und ihr Management?

BRAND-GUIDE

Achtsamer Konsum

Luxuskonsumenten sind anspruchsvoller, kritischer geworden und fragen bewusst nach: Woher kommen die Materialien, wo wird gefertigt, wer steckt hinter der Marke? Welchen Mehrwert bieten Produkte neben dem rein hedonistischen Konsum – welcher ökologische und soziale Beitrag wird geleistet? Die neue Luxuskonsumenten-Devise lautet demnach mit Mäßigung und Bedacht zu konsumieren. Less is more und wenn weniger, dann auch mit mehr Qualität und Substanz.

Eine Hinwendung zum Minimalismus und Wertschätzung von Materialien, Handwerkskunst, den Menschen hinter der Marke prägen diese Bewegung. Luxuskonsumenten wägen ihre Kaufentscheidungen bewusst(er) ab. Suchen sich hierfür online authentische Stimmen aus der Markeninteressen-Community im Sinne des User-Generated-Contents (UGC). Aufgrund diverser digitaler Möglichkeiten sind Konsumenten sowie die Brand Interest Group befähigt und bereit, ihre Markenerfahrung zu teilen und wenn gegeben, auch deren Fehlverhalten aufzuzeigen, wie es auf der Plattform DietPrada passiert. Besonders die Fashion-Industrie hat es in den letzten Jahren auf die Spitze getrieben. Als Enfant Terrible der Nachhaltigkeitsbewegung haben verschiedene Drops und zahlreiche Kollektionen pro Jahr die negativen Stimmen geschürt. Dies in Kombination mit dem Umgang unverkaufter, alter Kollektionen.

Wahre Luxusprodukte hingegen bieten Wegwerf- oder Trend-Produkten die Stirn, da sie aufgrund der Designleistung und Materialqualität per se die Zeit überdauern. Hier liefern digitale Vintage-Plattformen Lösungen. Die Bewegung von Second-Life ist Teil eines nachhaltigen Lebensstils geworden, der Einzug in die Luxusindustrie hält und auf Nachfrage trifft. Im Sinne der Circular Economy kann zudem die Wertschöpfungskette bereits von Beginn an nachhaltig aufgesetzt werden. Auch können unverkaufte Bestände neu gedacht werden und Produkten ein neues Leben gegeben werden. Petit h von Hermès zeigt wie das geht.

petit h hermes

Petit H Kollektion Hermes

Markengesetze verschieben sich

Zur bewussten und kritischen Haltung von Luxuskonsumenten kommt der Seins- statt Zugehörigkeitsgedanke hinzu: Welche Marken passen in ihre Lebenswelt, welche verstehen sie und holen sie genau dort ab?

Die Zeiten sich einem Markendiktat zu unterwerfen sind vorbei. Zudem sind Luxuskonsumenten preissensibler geworden. Der Gedanke des Lean-Luxury-Geschäftsmodells greift diese Bewegung auf. Lean Luxury bedeutet auf das zu verzichten, was nur Kosten verursacht, aber keinen Mehrwert für den Konsumenten bringt. Dies im Sinne von (neuen) Direct-to-Consumer-Modellen, die fernab des Industrieweges gehen, auf Mittelmänner, sogar manchmal auf Markennamen verzichten. Der Kunde wird zum Co-Creator und zur Marke selbst, da sich der (Marken-)Hersteller unterordnet und zum Enabler wird. Dabei schafft dieser doch auch wieder eine Art Community. Für „People in the know“.

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Lean Luxury Konzept Ruby Hotel

Auch aus etablierter Markenperspektive ist dies relevant. Von wem Luxusunternehmen hier lernen können sind DNVBs – Digital Native Vertical Brands – eine Variante der Direct-to-Consumer-Modelle. Im Digitalen gegründet, pflegen sie von Beginn an eine direkte Kundenbeziehung, richten ihr schlankes Produktportfolio sowie Kommunikation auf deren Bedürfnisse aus und entwickeln dieses datengestützt weiter. Zeigen Transparenz in Beschaffungs- und Herstellungsprozessen sowie Preisgestaltung. Lassen ihre Produkte verantwortungsbewusst und lokal herstellen.

Der Purpose, das Why, der Sinn ist tief verankert und wird zum Leitbild einer sinnvollen Markenerfahrung. Aber immer authentisch und ohne Marketing Chichi. Denn der kritische Konsument beobachtet und ist bereit via Social Media zu agieren. Somit müssen sich neben klassischen Luxusproduktmerkmalen wie Ästhetik, Qualität, hedonistischer Mehrwert auch die Ethik, der Purpose wiederfinden. Sowohl für tradierte wie auch für neue Luxusmarken.

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Moncler führt den globalen Dow Jones Sustainability Index als Branchenführer für Luxusgüter & Textilien

Neue Spielregeln – neue Preise?

Aufgrund der Pandemie befinden wir uns verstärkt in einer Neudefinition von Spielregeln, Playern und Codes. Die Luxusbranche wird dabei immer fragmentierter. Doch was bedeuten die jüngsten Entwicklungen für die Preisstrategie von Luxusgütern, einem der traditionellen Gradmesser und Kernelemente einer Luxusmarke?

Der Lockdown hat nicht nur zu Umsatzeinbußen für Luxusmarken geführt, sondern auch bestimmte Rohstoffpreise in die Höhe getrieben. So ist einerseits laut Bain & Company, der Markt für persönliche Luxusgüter im ersten Quartal von 2020 um 25% zurückgegangen. Für LVMH, dem größten Luxus-Konglomerat mit über 70 Luxusmarken, lag laut Handelsblatt der Halbjahresumsatz um 28% unter dem Vorjahreswert.

Andererseits hat sich beispielsweise der Silberpreis laut Robbe & Berking, seit April 2020 fast verdoppelt. Umsatzrückgänge treffen auf gestiegene Rohstoffpreise. Gemäß Reuters haben Luxusmarken wie Chanel oder Louis Vuitton die Preise für einige ihrer Top-Produkte deshalb bereits Mitte des Jahres erhöht. Laut Chanel liegt die Preiserhöhung für ikonische Produkte sowie einige Kleinlederprodukte bei 5-17%. Auch andere Luxusmarken haben Preisänderungen angekündigt oder bereits durchgeführt. Entweder pointiert oder auf das gesamte Sortiment bezogen. Doch inwiefern und bis wohin ist dies für den Konsumenten nachvollziehbar?

chanel bag

Quelle & Copyright by Chanel

Luxusmarken haben in der Vergangenheit kontinuierlich ihre Preise erhöht. Das war Teil des Spiels. Die Preise waren dabei selten rational – Emotion, Exklusion waren immer Teil der Luxusgleichung. Wenn die Preise fernab der (jährlichen) Preiserhöhung steigen, lohnt es sich zu reflektieren, inwiefern der Umsatzrückgang durch den Lockdown, gestiegene Rohstoffpreise und/oder die Steigerung der Exklusivität von Produkt-Ikonen eine Rolle spielen. Ob die Preiserhöhungen fehlzünden werden, wird sich zeigen.

Mehr denn je ist Luxus in Bewegung

So viel sei gesagt: Wenn hier die Maxime des Profits im Vordergrund steht und diese nicht mit nachhaltigen, sozialen Zielen gekoppelt sind, wird es schwierig sein, diese Strategie ohne Gegenwind durchzuziehen. Profit ist der Sauerstoff für jeden. Aber dies nicht nur für Shareholder, sondern eben dank der NEO Luxus Trends auch in Bezug auf Gesellschaft, Umwelt und Stakeholder. Mehr denn je ist Luxus in Bewegung. Wohin die Formierung einer sonst so statischen Industrie geht, bleibt hochspannend. Sicher ist, dass Kontinuität und klassische Parameter einer Luxusmarkenstrategie zu Ende sind.

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New Luxury

Text: Julia Riedmeier

Julia Riedmeier ist Managing Partner einer inhabergeführten Strategieberatung mit Fokus auf Premium- und Luxusmarken. Als Millennial pflegt Julia einen kritischen Blick auf etablierte Geschäftsmodelle. In Kontakt mit Start-Ups in Frankreich, der Schweiz sowie Deutschland ist es ihr ein Anliegen, diesen Spirit in ihre Projekte einzubringen und neue Denkweisen anzuregen. Besonders im Bereich digitaler Strategien und Neo-Luxuskonzepten. Neben ihrer Beratungstätigkeit hält Julia einen Lehrauftrag an der International University of Monaco inne sowie die Leitung des Luxusmoduls an der Munich Business School. In ihrer Doktorarbeit widmet sie sich dem Thema des Luxusmarkenmanagements in Zeiten der Co-Kreation.

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