Contemporary Fashion Plattform NJAL bricht mit alten Konventionen

NJAL Gründer Stefan Siegel über das Problem des Fashion Systems, seine Zalando Partnerschaft und die Zukunft der Mode

Im Interview mit Stefan Siegel, Günder Not Just A Label

Stefan Siegel
Stefan Siegel by Thilo Ross

Autor: Haus von Eden

Not Just A Label wurde 2008 mit der Vision gegründet, dem Fashion System neues Leben einzuhauchen. Die Plattform stärkt die Präsenz und Integrität von über 50.000 Designer*innen aus 150 Ländern. Ihr Ziel: Einflussreiche Stimmen der Modeindustrie werden. Und genau dabei will NJAL helfen, indem das Forum aufstrebenden Künstler*innen die Möglichkeit bietet, ihre Arbeit zu jeder Zeit und von jedem Ort zu präsentieren. So sollen die starren Paradigmen der Mode durchbrochen werden.

Das besondere an NJAL: Junge Designer*innen werden ermutigt nachhaltige sowie ethische Produktionspraktiken anzuwenden, während gleichzeitig auch Impulse für vielseitige Kooperationen geboten werden. Die Designs sind personalisiert, maßgeschneidert und werden direkt aus den Studios der Designer*innen geliefert. Wir sprechen mit Gründer Stefan Siegel über das Problem des Fashion Industrie, seine Partnerschaft mit Zalando und darüber was die Zukunft der Modewelt mit Musik zu tun hat.

"Contemporary Luxury ist für mich, wenn ich etwas haben kann, was niemand anderes hat - Wenn dies für mich persönlich produziert wurde und mein Geld direkt an den Designer geht, um vor Ort wieder in die Region zu fließen."

Mit der Gründung von NJAL hast Du schon früh den richtigen Trend der Modeindustrie erkannt - wie kam es dazu?

Vielleicht fing alles schon in meiner Kindheit an. Die Italienische Region aus der ich komme, ist von traditionellen Luxusmanufakturen geprägt. Nach meinem Studium habe ich dann bei Merrill Lynch gearbeitet und gemeinsam mit meinem Team kleinere Labels für große Luxuskonzerne akquiriert - kleine Labels waren damals Alexander McQueen oder Stella McCartney. Allerdings hatte ich schon davor im Verlauf meines Studiums viel mit Mode zu tun: Ich habe für Wolfgang Joop sowie viele andere verschiedene Retailer gearbeitet. Außerdem brachten auch meine Erfahrungen als Model mich mit vielen Designer*innen in Kontakt.

njal szabo sihag

Source & Copyright by Szabo Sihag via NJAL

Zu der Zeit hatte ich noch eine eigene Website auf der ich meine Reisefotos teilte. Und jeder wollte wissen, wer die Seite gebaut hatte. Immerhin musste man damals noch eine Domain kaufen und zumindest ein bisschen programmieren können, um eine Website aufzubauen. Mir persönlich hatte mein Bruder geholfen, weil er sich gut mit Informatik auskennt. Was also passierte, war dass Designer*innen meinen Bruder und mich anfragten, ob wir Websites für sie gestalten könnten.

An diesem Punkt stellte ich mir selbst die Frage: "Wieso gibt es nicht eine Plattform, auf der alle Modedesigner ihre Arbeit zeigen und verkaufen können?“. Genau so entstand die Idee, eine Plattform zu kuratieren, auf der Designer*innen sich selbst präsentieren können. Und zwar umsonst. Nach nur drei Monaten waren schon 500 Desinger*innen auf NJAL vertreten. Ein klares Zeichen, dass bisher etwas auf dem Markt gefehlt hatte.

Welches Problem des Fashion Systems adressierst Du mit Deiner Plattform?

Die Modewelt ist heute eine andere als früher. Ich will nicht sagen, dass wir eigenständig für diese Veränderung verantwortlich sind - dazu beigetragen haben wir allerdings irgendwie. Früher war es nämlich immer so: Damit junge Designer*innen erfolgreich werden konnten, mussten sie verkaufen und um verkaufen zu können, mussten sie in Geschäften vertreten sein. Als Retailer erkannten, dass es unfassbar viele Young Talents gibt, die nur darauf warten sich in einem Store positionieren zu können, erkannten sie leider auch, dass sie sie für diese Chance gar nicht zu bezahlen brauchten.

Damit hielten immer mehr fragwürdige sowie unfaire Geschäftsmodelle Einzug in die Modeindustrie. Beispielsweise das Konzept Consignment, das bedeutet, dass Designer*innen ihre gesamte Kollektion an Stores geben und erst am Ende der Saison Geld bekommen - soweit sich etwas verkauft hat. Irgendwann wurde diese Entwicklung so absurd, dass Läden Exklusivrechte auf drei Saisons forderten ohne die Designer*innen zu vergüten. Genau hier setzt Not Just A Label und löst das Problem. Es geht darum, die Visibilität verborgener Talente zu erhöhen - und zwar ohne sie auszunehmen. Das Ziel: Wir wollen, dass die Kreativität und das Design bewertet werden und nicht die PR Blase rund um ein Label. Besonders wichtig ist es für uns daher, auf NJAL kein Geld von den Künstler*innen zu nehmen.

Was sind die typischen Challenges von Fashion Entrepreneurs?

Mittlerweile sind die Designer*innen schlauer und verfügen über mehr Möglichkeiten. Sie können beispielsweise direkt an Konsument*innen verkaufen und haben eine große Power über digitale Plattformen wie Instagram. Demgegenüber herrscht auf gewissen Märkten sowie in spezifischen Segmenten allerdings noch immer ein streng definiertes Mantra. Dieses besagt in welchem Magazin, bei welchen Showrooms und auf welcher Fashion Week Designer*innen vertreten sein müssen, um als relevante Stimme an der Modeszene teilzuhaben. Während das alles viel Geld kostet, ist es wenig effizient.

the french parrot

Source & Copyright by The French Parrot via NJAL

Effizienter: Direkt auf Kund*innen zugehen. Allerdings braucht es noch immer viel Mut als Designer*in eine Direct-to-Consumer-Brand zu gründen - man verkauft nur online sowie saisonal unabhängig. In Los Angeles arbeiten mittlerweile fast alle Brands so. Marken eröffnen keine Läden, veranstalten keine Shows auf Fashion Weeks und warten nicht darauf, dass Anna Wintour ihnen ihren Segen gibt. Sie haben eine eigene Website, verkaufen direkt an Konsument*innen und investieren Geld in Digital Marketing.

Im Status Quo sind das die zwei Welten für junge Designer*innen. Und deshalb glaube ich, dass es im Vergleich zu vor 10 Jahren immer weniger Probleme für junge Designer*innen gibt. Demgegenüber hat die Modeindustrie heute ganz andere Probleme. Es geht um die existentielle Frage, ob sowie auf welche Weise Mode noch relevant sein kann und was sie überhaupt ausmacht. Mein Gefühl sagt mir, dass der Palast der Modeindustrie an allen Ecken bröckelt und versucht durch Celebrities und Image-Making relevant zu bleiben.

Wie wählt Ihr bei NJAL Eure Designer*innen aus und was ist ein "Black Sheep"?

In der Vergangenheit waren wir bei allen Fashion Weeks und Shows präsent - mittlerweile machen wir fast alles online. Darüber hinaus kollaborieren wir mit fast 200 Universitäten und rekrutieren Absolvent*innen, dessen Potenzial wir erkennen. Davon abgesehen funktioniert das Scouting mittlerweile allerdings von ganz allein. Meistens kommen Designer*innen direkt auf uns zu. Und viele davon sind schon lange im Business. So kommen wir auf ungefähr 300 neue Designer*innen im Monat. Entsprechend verändert sich unsere Landing Page auf NJAL praktisch wöchentlich. Das Besondere: Man sieht immer eine Auswahl der aktuell besten oder interessantesten Designer*innen - unsere Black Sheeps.

Sicherlich gibt es schon genug Brands auf dieser Welt. Und deshalb ist es die wichtigste Challenge für junge Designer*innen das Besondere an sich zu finden, um einzigartig zu sein und sich abzuheben. Klar, Designer*innen aus Berlin oder Paris entwerfen recht ähnliche Produkte. Wir haben aber 50.000 Designer*innen aus 150 Ländern auf unserer Plattform. Und es zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Künstler*innen aus Chile oder Australien. Verschiedene Stoffe, Techniken, handwerkliche Traditionen, Kulturen und Inspirationen resultieren in unfassbar diversen Designs.

Was steckt hinter Eurer Partnerschaft mit Zalando?

Die Partnerschaft läuft seit Mitte letzten Jahres. Das Prinzip: Wir wählen junge Designer*innen für Zalando aus, die dann auf dem Fashion Market Place präsentiert sowie verkauft werden. Zalando hat nämlich schnell erkannt, dass es keinen Sinn macht den gleichen Schuh wie Farfetch oder Net-A-Porter zu verkaufen. Es braucht einfach viel mehr Konzeptualisierung auf dem Markt. Demnach hat Zalando durch die Zusammenarbeit mit NJAL einen innovativen Weg eingeschlagen. Und inspiriert: Mittlerweile führen wir derartige Partnerschaften mit vier weiteren großen Retailern, die ebenso versuchen ihr Portfolio mit exklusiveren Produkten zu differenzieren.

LADA LEGINA 3D PRINTED

Source & Copyright by Lada Regina 3D Printed via NJAL

Dabei wählen wir eine besondere Form der Kollaboration - die Competitive Collaboration. Das bedeutet, dass wir die gleichen Produkte wie beispielsweise Zalando verkaufen. Der Grund dafür ist, dass Zalando Konsument*innen nicht gleich Not Just a Label Konsument*innen sind und umgekehrt. So profitieren also alle Beteiligten von der Zusammenarbeit. Daneben muss sich allerdings noch viel in Sachen Geschäftsmodellen verändern. Zum Beispiel macht es keinen Sinn, Produkte drei Mal um die Welt zu schiffen anstatt sie direkt durch die eigene Brand zu verschicken.

Wie ist Euer B2C Shop entstanden?

Wir haben unseren Online Shop erfolgreich während der Pandemie lanciert. Key ist dabei, dass wir den Designer*innen viele Vorteile einräumen. Beispielsweise erlauben wir es ihnen innerhalb von 21 Tagen zu liefern. Grund dafür ist, dass einige Designer*innen zwar Ready-to-Wear Stücke anbieten, 40% unserer Verkäufe aber Made-to-Order sind. Das bedeutet, dass es die Produkte zum Zeitpunkt der Bestellung noch gar nicht gibt. Vielmehr erhalten Designer*innen mit der Bestellung einen Auftrag, setzten sich mit den Kund*innen in Kontakt, bieten ihren exklusiven Service an und schneidern das Produkt anschließend personalisiert sowie nach Maß. Für uns ist diese Methode eine extrem produktive Lösung, die Modeindustrie nachhaltiger zu gestalten.

Wir haben zwei Zielgruppen: Zum einen natürlich Gen Z, also sehr junge Menschen mit bislang noch durchschnittlich geringerer Kaufkraft. Dafür allerdings großem Willen, soziale sowie nachhaltige Ansprüche als neuen Standard für Konsum zu etablieren. Andererseits ist unsere Hauptkonsumentin eine Dame zwischen 30 und 50 Jahren, die genug Geld hat sich ein Kleid von Louis Vuitton zu kaufen - das aber nicht tut, weil sie etwas Einzigartiges möchte. Bedeutet: Unser Main Target ist ein eher gehobenes Publikum; eine selbstbewusste Frau, die weiß, was sie will.

Was bedeutet Contemporary Luxury für Dich?

Wenn ich etwas besitze, das niemand anderes hat. Wenn dieses Produkt sogar persönlich für mich produziert wurde und ich weiß, dass mein Geld direkt an die kreative Quelle geht, um vor Ort wieder in die Region zu fließen. Das ist für mich die Definition von Luxus.

Miro Misljen

Source & Copyright by Miro Misljen via NJAL

Nachhaltigkeit hat für mich eher etwas mit dem Mindset zu tun. Young Talents sind automatisch nachhaltig, weil sie in kleinen Mengen produzieren und in einem regionalen Umfeld agieren. Ja, Nachhaltigkeit war so schon immer ein Thema für uns - wir sind da aber sehr pragmatisch und schwingen nicht die große Fahne. Was wir machen macht einfach Sinn und ist eine nachhaltige Lösung.

Was ist Deine Vision für die Zukunft der Mode?

Ich denke, dass sich die Modeindustrie in eine vergleichbare Richtung wie die Musikbranche entwickelt wird. Vor 20 Jahren gab es fünf große Music Labels und man musste Musik kaufen oder das hören, was im Radio lief. Entsprechend hatte man weder eine große Auswahl, noch eine wirkliche Chance auf Selbstbestimmung. Und genau nach diesem Prinzip funktioniert in großen Teilen auch die Modeindustrie: Eigentlich gehören alle großen Marken zu acht starken Konglomeraten. Konzernen, denen einfach alles im Fashion System gehört. Das resultiert darin, dass uns momentan vorgeschrieben wird, was wir tragen können und sollten - es gibt keine echte Freiheit.

Heute kann man in der Musik allerdings auf Spotify oder vergleichbare Apps gehen und hören was man möchte. Man kann Musik von jungen Künstler*innen konsumieren, ohne sie vorher zu kennen. Neues entdecken und sich vom Produkt selbst überzeugen lassen. Und genau das wollen wir auch in der Mode erreichen. Wir schaffen die Möglichkeit, Designs von aufstrebenden Talenten aus Nigeria zu erkunden. Klar, dafür konkurrieren sowie kämpfen wir bitter mit den acht Konzernen. Trotzdem ist das die Richtung in die die Zukunft gehen wird.

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