Natascha von Hirschhausen über lokal agierende & global vernetzte Mode

Im Dialog mit Natascha von Hirschhausen, Gründerin des gleichnamigen Modelabels sowie dem Designernetzwerk Aethic - eine Pionierin der deutschen Modewelt

natascha von hirschhausen
Natascha von Hirschhausen, © Kerstin Jacobsen, 2018

Mit ihrem Modelabel beweist Natascha von Hirschhausen eine radikal durchdachte ökologisch-soziale Philosophie. Ausgezeichnet mit dem Bundespreis Ecodesign und nominiert für den German Design Award, setzt die Designerin mit Ihrem Label neue Standards für nachhaltige Mode. Mit ihrem familiären Modedesigner Netzwerk Aethic, initiiert sie zudem eine Transformation der Rolle des nachhaltigen Modedesigns in der Wirtschaft.

Wie würden Sie Ihr Modelabel in einem Satz beschreiben?

Natascha von Hirschhausen steht für entspannte, elegante und vielseitige Mode, in der sich jede Frau stark und wohl fühlt und die gleichzeitig radikal nachhaltig ist.

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Bildquelle: Natascha von Hirschhausen, © Kerstin Jacobsen, 2018
Was hat Sie dazu bewegt Ihr Modelabel zu gründen?

Seit Beginn meines Studiums habe ich mich mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Ich war mir allerdings nie sicher, ob es überhaupt nachhaltig sein kann, noch eine Kollektion für unseren vollen Markt zu produzieren.

Der Wunsch zur Gründung meines eigenen Label kam erst deutlich später, während meines Masterstudiums an der Kunsthochschule Berlin Weißensee, als ich nach Bangladesch reiste. Was ich dort sah, machte mich zutiefst betroffen. Diese Reise hat mir die Überzeugung gegeben, dass es eine radikal nachhaltige Kollektion auf dem Markt braucht. Mit dem Label wollte ich von Anfang an die Möglichkeiten und Grenzen von nachhaltiger Modegestaltung austesten und ausweiten.

Neben allen anderen oft unhaltbaren Rahmenbedingungen in Bangladesch, machte mich vor allem das Müllproblem betroffen. Denn bis dahin hatte ich noch keine konkrete Vorstellung davon, in welchen Massen textiler Verschnitt bei der Produktion konventioneller Mode anfällt.  Diese Verschwendung von wertvollen Ressourcen wollte ich beenden.

In dem Rahmen bin ich natürlich auf Recycling- und Upcyclingtechniken für Textilienverschnitt gestoßen - ehrenwerte Ansätze. Allerdings verändert man so das System der Modeproduktion nicht und das war mein erklärtes Ziel. Deshalb erfand ich mein eigenes Schnittsystem, dass den Verschnitt von durchschnittlich ca. 20% in der konventionellen Industrie auf signifikant unter 1% minimiert.

Zurück im Master in Deutschland startete ich mit dem Anspruch an zero-waste Design und fing mit dem schwierigsten Kleidungsstück an, das ich mir vorstellen konnte: dem Anzug. Damit wollte ich testen, ob meine Vision überhaupt umsetzbar war. Erst als ich den Verschnitt für die gesamte Kollektion auf unter 1% minimiert hatte und alles vom Wäscheetikett bis zur Verpackung nachhaltig durchdacht und gestaltet hatte, gründete ich mein Label Natascha von Hirschhausen.

Was ist die größte Herausforderung einer zero-waste Kollektion und welche Rolle spielt dabei die Kreislaufwirtschaft?

Die größte Herausforderung bei zero-waste Design ist die Schnittentwicklung, die einen grundlegend neuen Designprozess verlangt. Da kein Rest bleiben soll, muss man alle Schnitteile ineinander verschachteln. Wenn man dann eine Naht verlegen möchte, ändert sich das gesamte Kleidungsstück. Zusätzlich ist es schwerer die Kleidungsstücke zu gradieren, sprich in unterschiedlichen Größen anbieten zu können.

Kreisläufe so gut wie möglich zu schließen finde ich natürlich wichtig und richtig. Allerdings hat das in der Mode auch seine Grenzen, weil zum Beispiel natürliche Fasern nicht re- sondern nur downgecycelt werden können. Auch deshalb bin ich zusätzlich eine Verfechterin der Transformationswirtschaft. Wir müssen uns bewusster werden, was, wie schnell und wie viel wir produzieren und konsumieren. Wir brauchen in erster Linie weniger, aber bessere, langlebigere Produkte.

In dem Sinne hoffe ich für jedes meiner Kleidungsstücke, dass es für lange Zeit nicht in den Kreislauf zurückkehrt. Mein Fokus liegt also auf Langlebigkeit und Qualität. Die rein natürlichen Fasern, aus denen ich meine Kleidungsstücke herstelle, sind am Ende ihres hoffentlich langen Lebens biologisch abbaubar.

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Bildquelle: Natascha von Hirschhausen, © Kerstin Jacobsen, 2018
Wie sehen Sie die Entwicklung der Modeindustrie in Deutschland gerade im Bereich Sustainable Fashion?

Gerade und vielleicht sogar nur im nachhaltigen Bereich finde ich die Entwicklung der Mode in Deutschland schön und spannend. Ich erlebe aktive Netzwerke zwischen das Designer*innen, Journalist*innen und Blogger*innen, die sich zusammenschließen, um nachhaltige Mode in den Fokus und nach vorne zu bringen und sich ehrlich und offen gegenseitig unterstützen.

Ein schönes Beispiel im Bereich Sustainable Fashion in Deutschland ist für mich die NEONYT – diese Entwicklung macht einfach Spaß, ist innovativ und zukunftsgewandt. Gerade der Zusammenschluss der FashionTech und der FashionSustain zu einer Konferenz im Rahmen der Messe bietet vielen aus der Modeindustrie im Bereich Nachhaltigkeit eine Plattform, um sich untereinander kennenzulernen und auszutauschen.

Wofür steht Ihr Modenetzwerk Aethic und was möchten Sie damit erreichen?

Aethic steht für ein familiäres Netzwerk zwischen nachhaltigen Designer*innen. Zusammen wollen wir die Rolle des nachhaltigen Modedesigns in der Wirtschaft stärken - und das durch gegenseitige Unterstützung.

Oft sind es Frauen, die sich im Bereich nachhaltiges und soziales Entrepreneurship selbständig machen und damit ein hohes Risiko eingehen. Wir glauben, dass unsere Wirtschaft diese Frauen in den Führungspositionen braucht und hoffen einen Beitrag leisten zu können, dass ihre Unternehmen am Markt bestehen.

Was ist für Sie Luxus?

Im Bezug auf Kleidung ist es für mich Luxus ausschließlich hochwertige, natürliche Materialien, wie Baumwolle, Kaschmir, Wolle und Seide, zu tragen. Außerdem muss ich mich wohl fühlen, das heißt die Teile müssen bequem (was für ein Un-Wort), vielseitig und elegant sein.

Luxus ist für mich nicht zu viel Kleidung zu besitzen. Einen übervollen Kleiderschrank und Kleidungsstücke, die ich nicht trage, empfinde ich eher als Belastung. Ich achte mehr auf besondere Teile, die für mich eine persönliche Bedeutung haben.

Inwiefern spiegelt sich Ihr persönlicher Stil in Ihrem Design wider?

Ich finde mich in meinen Designs 100% wieder und trage sie jeden Tag.

Meine Kleidung stellt in ihrer schlichten und entspannten Eleganz die Trägerin voll und ganz in den Fokus. Dank der Vielseitigkeit der einzelnen Designs kann man von morgens bis abends mit einem angenehmen Gefühl für Haut und Körper ein Zuhause um sich tragen. Damit möchte ich meinen Kundinnen den Alltag erleichtern, und bewirken, dass sich jede Frau sich noch stärker fühlt.

BRAND-GUIDE
Was sind Ihre 3 Tipps für einen nachhaltigen Kleiderschrank?

1. Wenn einkaufen, dann:
- unabhängige, durch und durch nachhaltige Unternehmen oder
- Second Hand

2. Und zwar:
- natürliche Materialien und gute Verarbeitung
- schlichte Lieblingsstücke

3. Und generell:
Weniger besitzen und weniger besessen werden.

Was würden Sie einem Fashion Addict raten?

Raten impliziert, dass ich einen „Verbesserungsvorschlag“ hätte - dem ist nicht so. Ich respektiere Menschen, so wie sie sind, und möchte nicht vorschnell urteilen. Ich würde mich freuen Sie/Ihn auf einen Kaffee in mein Atelier einzuladen und uns über unsere Auffassungen von Mode auszutauschen - vielleicht können wir ja etwas voneinander lernen.

Wie stellen Sie sich die Mode Welt in 2050 vor?

In einem dystopischen Szenario setzt sich bis dahin der oligarchisch aufgebaute Neoliberalismus durch und wenige Großkonzerne bestimmen Politik und Markt, während kleinere Unternehmen untergehen. Ich kämpfe aber für meine Utopie, in der es keine Fast Fashion mehr gibt, sondern nur noch nachhaltige, lokal agierende, aber global vernetzte Modelabels.

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Bildquelle: Natascha von Hirschhausen, © Kerstin Jacobsen, 2018

 

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