Markenaktivismus: Wenn Unternehmen politisch Meinung beziehen

Eine neue Zukunft gestalten, indem man Marketingaktivitäten nutzt, um politisch Druck auszuüben - Markenaktivismus als neue Strategie für entscheidende Veränderung

Markenaktivismus Neonleute Do something great
Gucci Dan Les Rues - Source & Copyright Gucci

Autor: Lara-Sophie Buckow

  • Unternehmen aktivieren Werte und machen diese erlebbar
  • Politischer Aktivismus als neue Form der Kommunikation
  • Purpose im Einklang mit Gewinnerzielung

Mit dem zunehmenden Interesse der Gesellschaft an den begrenzten Ressourcen der Natur, dem Klimawandel sowie dem Kampf gegen die Ungleichheit von Minderheiten werden neue Erwartungen an Unternehmen sowie ihre Marken aufgestellt. Markenaktivismus gilt als neue Strategie um junge Konsumenten zu überzeugen sowie einen echten Unterschied zu machen.

Verschiebung von Marketing-Strategien

Während es nicht mehr ausreicht, Produkte als besser, effektiver oder billiger zu bewerben, suchen Verbraucher heute nach Produkten, die Werte verkörpern. Für Marketeers ist es keine Neuigkeit, dass die heutigen Branding-Strategien diese kommunizieren müssen, um erfolgreich zu sein. Es lässt die Verbindung auf einer tieferen und aussagekräftigeren Ebene mit den Verbrauchern zu.

Damit der Konsument jedoch die Werte eines Unternehmens sehen sowie verstehen kann, müssen diese aktiviert und aktiv erlebbar werden. Darüber hinaus ist der Einsatz von politischem Aktivismus durch ein Unternehmen zu einer neuen Form der Kommunikation der Markenidentität sowie -werte geworden. Für mehr als nur das Erzielen von Gewinnen. Doch wie unterscheidet sich Markenaktivismus von bereits bekannten Strategien wie CSR (Corporate Social Responsibility) und CRM (Cause-related Marketing)?

So setzte sich zum Beispiel Chanel, initiiert von Karl Lagerfeld,  bereits 2104 auf einem Runway Protestmarsch für Frauenrechte ein. Auch Gucci setzte sich 2018 nach einem Vorfall, bei dem zwei seiner Mitarbeiter in einem Club in Florida ermordet wurden, in einem Protest öffentlich gegen Waffengewalt ein. In einer weiteren künstlerischen Kampagne "Gucci Dans Les Rues" hat die Luxusmarke den Geist der Studentenbewegung in Paris im Mai 1968 eingefangen.

Corporate Social Responsibility als Must Have

Milton Friedman erklärte 1970, dass es für ein Unternehmen unmöglich sei, neben der Gewinnsteigerung auch andere Aufgaben zu übernehmen. Nur Einzelpersonen können auf der Grundlage ihrer eigenen persönlichen Werte soziale Verantwortung begründen. Verbraucher, staatliche Regulierungen sowie andere Interessengruppen beeinflussen Unternehmen jedoch kontinuierlich dazu, mehr zu tun als nur Geld zu verdienen. Corporate Social Responsibility ist heutzutage somit keine Option mehr, sondern ein Must have.

CSR-Maßnahmen können unter anderem umweltfreundliche Geschäftspraktiken, die Verbesserung der sozialen Situation von Mitarbeitern sowie Lieferanten oder die Unterstützung von Projekten in weniger entwickelten Ländern umfassen. Die Verpflichtung zu den UN Sustainable Development Goals ist eine typische eine CSR-Maßnahme. Mit CSR möchte das Unternehmen zeigen, dass es der Gesellschaft etwas zurückzugibt. Durch solche Maßnahmen erhoffen sich Firmen eine Steigerung der Kundentreue und -zufriedenheit sowie einen besseren Ruf ihrer Marke.

Umfragen bestätigen: 77% der weltweiten Verbraucher sind der Meinung, dass Unternehmen ihren Beitrag zur Gesellschaft erhöhen sollten. 73% würden Unternehmen weiterempfehlen, die dem CSR-Gedanken folgen. Obwohl CSR traditionell nicht Teil eines erfolgreichen Geschäfts ist, haben die heutigen Unternehmen die Bedeutung ihrer Praxis erkannt, insbesondere da sie von den meisten Verbrauchern als wesentlich angesehen wird.

Cause-Related Marketing als Bewusstseinsbildner

Während die meisten Firmen eine CSR-Strategie inkludieren, haben andere Unternehmen ihre gesamte Geschäftsstruktur auf eine drastischere Strategie ausgerichtet: Cause-Related Marketing (CRM), also fallbezogenes Marketing. Der Verkauf solcher Produkte ist mit einem bestimmten Zweck verbunden. Pro verkauftem Produkt, wird ein bestimmter Betrag oder Produkt an eine Organisation gespendet, die sich für die Sache einsetzt.

Die Werbestrategie rund um CRM besteht darin, die Verbraucher zu ermutigen, die Sache durch den Kauf der Produkte des Unternehmens zu bekämpfen. Daher spenden diese Unternehmen nicht nur Geld, sondern fungieren auch als Bewusstseinsbildner. Dabei geht es oft um ein gesellschaftliches Thema, oder um die Umwelt. Themen, welche die Herzen der Verbraucher ansprechen. Durch CRM sind Verbraucher in der Lage, ihre eigene moralische Identität zu verwirklichen. Der Verbraucher wird emotional an die Marke gebunden und unterstützt daher seine Sache sowie sein Geschäft positiv durch Käufe, Markentreue sowie Interessenvertretung.

Cause related marketing Kampagne One for One von TOMS

One for one: Für jedes verkaufte Paar Schuhe, wird ein weiteres gespendet, Source & Copyright by TOMS

Markenaktivismus

Während CSR und CRM beides Methoden sind, um die Werte sowie Moral zu zeigen, mit denen sich ein Unternehmen verbindet, geht Markenaktivismus einen Schritt weiter. Es wird aktiv Stellung zu einem kulturellen, ökologischen, sozialen oder geschlechtsspezifischen Thema bezogen, welches mit den Werten des Unternehmens übereinstimmt. Die am häufigsten sowie als am effektivsten empfundene Methode ist die politische Stellungnahme über eigene Marketing- und Werbekanäle. Auf diese Weise kann die Position an die breite Gesellschaft kommuniziert werden, um die Probleme zu bekämpfen.

Der treibende Faktor des Markenaktivismus ist ein großes Thema, das Gerechtigkeit sowie Fairness für alle anstrebt. Noch wichtiger jedoch, auf einer sehr emotionalen Ebene mit den Konsumenten in Kontakt zu treten sowie dadurch Kundenbindung und -assoziation zu schaffen. Der Zweck besteht darin, größere Debatten anzuregen, um den Status quo in Frage zu stellen sowie die Gesellschaft innovativ zu verändern. Markenaktivismus ist dann richtig umgesetzt, wenn die Marke als wichtiger Beitrag zur Sensibilisierung sowie zum Kampf um die Sache wahrgenommen wird.

Das sind die Ziele von Markenaktivismus

Da Markenaktivismus in der Regel auf einem großen Spielfeld stattfindet und die Absicht hat, ein hohes Bewusstsein für die Sache und die Marke zu schaffen, muss es sich einem Thema annehmen, das es wert ist, Marketing- und Kommunikationsbudgets zu investieren. Daher sollten Markenaktivismus sowie die Entscheidung Stellung zu beziehen, beim Publikum vor allem zwei Emotionen hervorrufen.

  1. Anziehungskraft auf das Thema sowie das Verständnis für ihre Bedeutung in der heutigen Gesellschaft schaffen.
  2. Verbraucher sollten sich frustriert fühlen, dass eine solche Initiative für dieses Thema noch immer notwendig ist

Während eine Marke natürlich hofft, durch all ihre Aktivitäten, einschließlich des Markenaktivismus, Umsatz sowie Gewinn zu steigern, sollte das Hauptziel hier darin bestehen, für diejenigen einzustehen, die es nicht selbst können sowie eine positive Veränderung für eine bessere Zukunft herbeizuführen. Marken machen sich dadurch jedoch verwundbar und bewegen sich außerhalb ihrer gewohnten Komfortzone. Dies birgt Risiken wie Kundenverlust und Boykott.

Markenaktivismus für mehr Nachhaltigkeit

Die Strategie, politisch Druck auszuüben, ist vor allem durch die "Dream Crazy"-Kampagne von Nike in Kollaboration mit dem NFL Spieler Colin Kaepernick weltweit bekannt geworden. Marketingaktivismus ist für viele Themen geeignet, auch für den Kampf gegen den Klimawandel und für mehr Nachhaltigkeit.

Dream Crazy Kampagne von Nike mit Colin Kaepernick

Source & Copyright by Nike

Patagonia - Don't buy this jacket

Seit der Gründung, steht die Marke Patagonia für nachhaltige sowie langlebige Outdoor-Produkte und setzt deutliche Zeichen gegen Fast Fashion. Diese Maßnahmen sind Patagonia jedoch nicht ausreichend. Immer wieder setzt die Marke auf provokante Marketingkampagnen. So auch am 25.11.2011, zum Black Friday, der Rabattverkaufsaktion aus den USA. Über eine gesamte Seite innerhalb der New York Times, nutze Patagonia die Werbefläche um die Auswirkungen eines solchen Kaufrausches deutlich zu machen.

Die Überschrift: Don't buy this jacket - übersetzt Kaufe diese Jacke nicht. Als wahrscheinlich einziges Unternehmen, welches Konsumenten dazu auffordert, weniger zu kaufen, zog die Aktion viel Aufmerksamkeit auf sich. Obwohl das Ziel, durch einen Anstieg von 30% der Verkaufszahlen, nicht erreicht wurde, hat die Kampagne das Thema Slow Fashion sowie mehr Achtsamkeit beim eigenen Konsumverhalten den Verbrauchern deutlich gemacht.

Anzeige von Patagonia mit der Headline Don't buy this jacket

Source & Copyright Patagonia & The New York Times

The nu company - Food for a nu world

Seit 2016, lebt das deutsche Start Up the nu company den grünen sowie gesunden Wandel in der Lebensmittelindustrie vor. Doch damit nicht genug. Am 16. Oktober 2020 veröffentlichte das Unternehmen seinen offenen Brief an die deutsche Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Spiegel. Mit dieser Aktion sowie zahlreicher Werbeplakate in ganz Deutschland und Social Media Posts versuchte das Unternehmen provokant auf die verbesserungsbedürftigen Zustände innerhalb der Lebensmittelindustrie aufmerksam zu machen. Es sei an der Zeit, etwas zu verändern und nicht länger darauf zu warten, dass in ferner Zukunft jemand anders etwas unternehme.

Offener Brief im Spiegel von the nu company

Source & Copyright the nu company

Interessante Themen: Innovative Food Start Ups verändern die Lebensmittelindustrie

Politische Veränderung durch Druck aus der Wirtschaft

In vielen Bereichen mahnen Experten schon länger, dass es Zeit für nachhaltige Veränderung ist. Vor allem durch politische Regulierungen sind innovative Veränderungen durch den Zwang einer Umstellung möglich. Jedoch scheint es in manchen Gebieten schwieriger zu sein. Hier sind vor allem Neueinsteiger wie Start Ups gefragt um neuen Wind in eine Industrie zu bringen. Obwohl sie oft klein starten, blicken sie auf keine alteingesessenen Praktiken zurück und können einen innovativen Neustart beginnen.

Trotzdem haben auch bereits erfahrene Unternehmen die Möglichkeit mit Markenaktivismus einen Unterschied zu machen. Vor allem jüngere Generationen wie Millennials und Gen Z leben für herausfordernde Veränderung sowie provokante Aufforderungen und Marketingkampagnen. Der Klimawandel und seine Auswirkungen sind bereits soweit vorangeschritten, dass es nicht mehr ausreicht, auf neue Gesetzgebungen zu warten. Es ist jetzt an der Zeit, etwas zu verändern. Auch wenn das bedeutet, aus der Komfortzone zu gehen und einen globalen Wandel startet.

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