German Design Revolution: Julian Daynov im Gespräch über NEUDEUTSCH

Julian Daynov teilt Einblicke in sein revolutionäres deutsches Designprojekt NEUDEUTSCH. Er erzählt über seine Inspiration, Werte und Vision hinter dem Projekt

Interview mit Julian Daynov, Schöpfer von NEUDEUTSCH

Julian Daynov NEUDEUTSCH
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Autor: Haus von Eden

Julian Daynov, ein erfahrener Einkäufer, Fashion Director, Trendanalyst und Brand Scout, präsentierte im Januar das besondere Projekt NEUDEUTSCH auf der Pitti Immagine Uomo 105 in Florenz, der größten Menswear Messe weltweit. Als Kurator versammelte Daynov eine vielseitige Auswahl von inspirierenden deutschen Designer:innen. Er setzte dabei auf eine Mischung etablierter und aufstrebender Marken, die verschiedene kulturelle Ursprünge reflektieren und das Klischee eines eindimensionalen und rein funktionalen deutschen Designs brechen.

Julian Daynov selbst ist nicht nur als Kurator aktiv, sondern auch als Berater globaler Modemarken und großer Einzelhandelsketten. Seine Disziplin liegt in der Neuerfindung und Verfeinerung von Markenidentitäten sowie der Anpassung von Produkten, Werbegewohnheiten und Tonalität an die aktuellen Geschäfts-, Konsum- und Gesellschaftsmuster. In Berlin leitet er sein eigenes Büro für Markenstrategie, unterstützt renommierte Brands und aufstrebende Talente in Trendprognosen, Geschäftsentwicklungen, Transformationsmanagment und globaler Kommunikation. Julian Daynov unterrichtet zudem Fashion und Brand Marketing und ist ein regelmäßiger Gast auf Fashion Weeks.

Als  Experte der Modebranche und leidenschaftlicher Befürworter der Neubewertung traditioneller Geschlechterideologien wurde er bereits zu zahlreichen Interviews eingeladen. Auch wir hatten die Chance mit Julian Daynov zu sprechen:

1. Kannst du uns etwas über deinen Background erzählen?

Ursprünglich stamme ich aus Bulgarien, habe jedoch mein gesamtes Leben an verschiedenen Orten gelebt. Trotzdem bin ich vollständig deutsch aufgewachsen, da ich Begegnungsschulen besucht habe, die für Kinder von im Ausland lebenden Eltern gedacht sind, um deutsch aufzuwachsen. Obwohl ich in meiner Familie die einzige Person bin, die deutsch spricht oder eine Verbindung zu Deutschland hat, habe ich die Sprache im Alter von sieben Jahren als Fremdsprache erlernt. Später kam ich zum Studieren nach Deutschland.

Seit über zwei Jahrzehnten arbeite ich in der Modeindustrie und fand bereits in meiner Jugend ausgelöst durch meine Modeaffinität meinen Einstieg. Meine Karriere führte mich durch verschiedene Bereiche wie Magazin, Styling, Editorial und Content, bevor ich meinen Traumjob als Einkäufer anfing. Die vergangenen Jahre waren erfüllend, doch nach langer Berufstätigkeit entstand, wie es in jedem Job der Fall ist, das Gefühl der Routine. Trotz des ständigen Austauschs und vielfältiger Erfahrungen. Die glamouröse Seite des Berufs, von Reisen und glamourösen Events, macht nur etwa 5% aus, denn jede Saison steht unter enormen Performance-Druck, der konstante Leistungen erfordert.

NEUDEUTSCH Stand

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Heute gehöre ich zu den wenigen zertifizierten Trends Scouts und habe bereits für renommierte Unternehmen wie Barneys oder Harrods gearbeitet. Ich bin sowohl für große Departement Stores als auch für kleinere Concept Stores tätig. Meine Aufgaben umfassen unter anderem die allgemeine Beratung, den Portfolioaufbau und die Markenerkundung.

2. Woher kam deine Inspiration für das Projekt NEUDEUTSCH?

Die gängige Annahme, dass es keine ansprechenden deutschen Designs gibt, möchte ich mit dem Projekt NEUDEUTSCH widerlegen. Deutschland verfügt mittlerweile über viele Designer:innen mit einzigartigen Handschriften in den Bereichen Mode, Lifestyle und Design. NEUDEUTSCH ist ein von mir entwickeltes Format, das bewusst einen ironischen Touch im Namen trägt. Es symbolisiert die Möglichkeit, Modernität und Tradition zu vereinen und gleichzeitig offen für neue Entwicklungen zu sein. NEUDEUTSCH ist meine Interpretation der aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen.

Nach bekannten deutschen Designer:innen wie Jil Sander und Karl Lagerfeld befinden wir uns in einem Raum des Umbruchs, der von neuen aufstrebenden Marken gefüllt werden kann. Die von mir für die Pitti ausgewählte Mode hat das Potenzial dafür, denn sie kann sowohl auf dem Laufsteg als auch im Einzelhandel funktionieren. Es ist kein Museum, das großartige Klamotten propagieren aber nicht verkaufen will, da sie zu extravagant sind. Daher habe ich bei meiner Auswahl einen Fokus darauf gelegt Brands zu finden, die inspirierend und ehrgeizig, aber trotzdem auch transaktional sind.

3. Welche Werte standen im Mittelpunkt des Projekts?

Ein zentraler Aspekt bei der Auswahl der Marken für NEUDEUTSCH war deren Nachhaltigkeit. Ich wollte Marken unterstützen, die einen initialen Schub benötigen, aber gleichzeitig sicherstellen, dass sie die richtigen Werte repräsentieren. Dabei war es mir wichtig, dass nicht nur den Rohmaterialien, sondern auch den menschlichen Ressourcen große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Alle von mir ausgewählten Marken produzieren lokal und nachhaltig. Sie verwenden recycelte Materialien, kaufen Rohstoffe in kleinen Mengen oder setzen auf Upcycling von alten Stoffen. Die meisten produzieren sogar direkt in Deutschland, um ihre Philosophie der Kleinproduktion beizubehalten. Auch bei Produkten, die aus dem Ausland importiert werden, gelten dieselben Standards für Unternehmen, Rohstoffe, Produktionsstätten und Werte.

NEUDEUTSCH Pitti

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4. Welche Vision verfolgst du mit NEUDEUTSCH?

Ich möchte der Welt zeigen, dass Deutschland nicht länger in einem stereotypen und pragmatischen Muster verharrt, sondern sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt hat. Deutsche Städte sind mittlerweile kosmopolitisch und bieten kreativen Menschen aus aller Welt eine Heimat, unabhängig davon, ob sie sich als deutsch identifizieren oder nicht. Diese Offenheit und Exklusivität sollten wir fördern und jeden Einzelnen akzeptieren, unabhängig von seiner oder ihrer Herkunft oder wie lange die Person schon in Deutschland lebt. In den größeren deutschen Städten spürt man bereits deutlich diese inklusive Atmosphäre.

5. Glaubst du, dass die aktuellen Trends in der Fashion Industrie bezüglich Nachhaltigkeit und Konsum in die falsche Richtung gehen?

Trotz meiner positiven Absichten muss ich leider feststellen, dass wir uns in Bezug auf Nachhaltigkeit und Konsum nicht in die richtige Richtung bewegen. Dies betrifft nicht nur die Modebranche, sondern unseren gesamten Konsum. Wir stellen uns selten die richtigen Fragen, bevor wir etwas konsumieren. In unserer Gesellschaft, und davon will ich mich nicht ausschließen, tätigen über 80 % der Menschen überflüssige Einkäufe. Ich verstehe vollkommen, dass wir ein glückliches Leben führen wollen, doch dieses hat Konsequenzen.

NEUDEUTSCH Pitti Messe

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Wir befinden uns in einer Spirale, die unsere Erde buchstäblich durchbohrt. Ich glaube, wir haben einen Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt, und wir überschreiten ihn immer weiter. Wir alle sind auf eine gewisse Weise für dieses Problem verantwortlich, wir alle sind Mittäter:innen des Problems.

Dies gilt insbesondere für die Modeindustrie. Verbraucher:innen möchten kaufen, Unternehmen möchten verkaufen. Bei so vielen Saisons und Trends ist es schwierig, mit der Mode Schritt zu halten. Daher ist der wichtigste Trend: Bleib dir selbst treu und folge nicht blind Trends. Finde, was für dich richtig ist, was dich glücklich macht und nicht nur schön fühlen, sondern auch schön aussehen lässt. Denn Mode gibt uns genau diese Hülle, die Überzeugung attraktiv zu sein, nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere. Daher spielt es keine Rolle, ob das Kleidungsstück aus der aktuellen Kollektion stammt oder schon seit Ewigkeiten in deinem Kleiderschrank liegt. Wenn es dich glücklich macht, ist das großartig.

Vielen Dank für das Interview Julian Daynov.

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